Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung nach Hauptsacherledigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Kosten des Verwaltungs- und Finanzgerichtsverfahrens nach Erledigung eines Streits über die Rechtmäßigkeit einer Nichtberücksichtigung der verspätet eingereichten Einkommensteuererklärung, für die eine knapp bemessene Ausschlussfrist nach § 364b AO gesetzt worden war, sind gem. § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen hälftig zu teilen, wenn nicht absehbar ist, wie sich das Verfahren in der Hauptsache entschieden hätte.

2) Es ist ungewiss, ob eine Ausschlussfrist für die Einreichung der Einkommensteuererklärung von knapp unter einem Monat im Sinne von § 364b AO angemessen lang ist.

 

Normenkette

AO § 364b; FGO § 79a Abs. 1, Abs. 4; EStG § 25 Abs. 3 S. 1

 

Tatbestand

I.

Nachdem der Kläger seiner Pflicht zur Abgabe der Einkommensteuer-Erklärung 2009 nicht nachgekommen war, erließ der Beklagte am 31.8.2001 einen Einkommensteuerbescheid 2009, in dem er die Besteuerungsgrundlagen schätzte. Der Kläger legte durch seinen damaligen steuerlichen Berater mit Schreiben vom 4.10.2011 Einspruch ein. Mit Schreiben vom Mittwoch, dem 5.10.2011 forderte der Beklagte den Kläger zur Einspruchsbegründung die ausstehende Steuererklärung an und setze zugleich eine Ausschlussfrist gemäß § 364b Abs. 1 der AbgabenordnungAO – zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sich der Kläger beschwert fühle, insbesondere der bei der Schätzung nicht berücksichtigten steuermindernden Sachverhalte. Diese Frist endete mit Ablauf des 3.11.2011 (Donnerstag). Am Mittwoch, dem 9.11.2011, ging die Einkommensteuersteuererklärung beim Beklagten ein. Dieser wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 17.11.2011 als unbegründet zurück. Die eingereichte Steuererklärung könne nach § 364b Abs. 2 AO nicht berücksichtigt werden, da sie erst 6 Tage nach Ablauf der Frist eingereicht worden sei.

Die daraufhin am 25.11.2011 erhobene Klage begründete der – steuerlich beratene – Kläger unter Hinweis auf die dem Beklagten vorliegende Steuererklärung und begehrte erklärungsgemäße Veranlagung. Er wies darauf hin, dass sich der Vorberater gegen die diesem gesetzte Frist nicht gewehrt habe, da „der Erlass” vorsehe, dass zuvor eine einfach Frist gesetzt werde und dann erst die Ausschlussfrist; zudem sehe „der Erlass” vor, dass die Frist zur Anforderung der Steuererklärung 6 bis 8 Wochen umfassen solle. Nachdem der Beklagte am 16.12.2011 einen erklärungsgemäßen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2009 erlassen hatte, haben beide Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Kosten des Verfahrens waren – nach summarischer, für die zu treffende Kostenentscheidung hinreichender Prüfung BFH-Beschluss vom 25.07.1991 III B 555/90,BFHE 164, 570, BStBl II 1991, 876)– den Beteiligten nach § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO– je zur Hälfte aufzuerlegen, weil nicht abzusehen war, wie die Kostenentscheidung zu treffen gewesen wäre, wenn das Verfahren sich nicht in der Hauptsache erledigt hätte.

Denn dass die Kostenfolge des § 137 Satz 3 FGO den Kläger trifft, gilt nur, wenn Erklärungen und Beweismittel – hier die vor Erlass der Einspruchsentscheidung eingereichte Steuererklärung – im Einspruchsverfahren nach § 364b AO rechtmäßig zurückgewiesen worden wären (BFH-Beschluss vom 13.05.2004 IV B 230/02, BFHE 206, 194, BStBl II 2004, 833). Wäre die Ausschlussfrist seitens des Beklagten hingegen nicht rechtmäßig gesetzt worden, träfe den Beklagten bei der hier anzunehmenden Stattgabe der Klage die Kostenpflicht, da er in diesem Falle den Einspruch des Klägers zurückgewiesen hätte, obwohl ihm die Steuererklärung bereits vorlag, also gerade die rechtswidrige Zurückweisung der nach Fristablauf, aber vor Erlass der Einspruchsentscheidung eingereichten Steuererklärung diese Einspruchsentscheidung rechtswidrig macht (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.1999 I R 103/97, BFH/NV 2000, 2 für den Fall fruchtlosen Fristablaufs und Eingang der angeforderten Steuererklärung erst im Klageverfahren).

Ob die hier gesetzte Ausschlussfrist, die eine konkrete Dauer einschließlich Postlaufzeiten vom 5.10. bis 3.11.2011 hatte, also von knapp unter einem Monat, als hinreichend lang bemessen erachtet worden wäre, ist ungewiss.

Denn da der Wortlaut der Norm die Dauer der Ausschlussfrist des § 364b AO bestimmt, ist sie nach pflichtgemäßem Ermessen je nach den Umständen des Einzelfalles angemessen lang zu setzen. Dazu wird in der herrschenden Literatur die Meinung vertreten, dass zwar generell keine Mindestdauer der Frist berücksichtigt werden müsse oder es eine allgemeine Richtschnur für diese gebe (Seer in: Tipke/Kruse, AO und FGO, § 364b AO, Rz.23; Tiedchen, BB 1996, 1030, 1040; Brockmeyer in: Klein, AO, 10.Aufl. 2009, § 364b, Rz. 8; Bartone in: Beermann/Gosch, AO, FGO, § 364b AO, Rz. 25), doch sieht die Literatur überwiegend eine Frist innerhalb eines Monats als unangemessen an (Brockmeyer in: Klein, AO, 10.Aufl. 2009, § 364b, Rz...

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