Rz. 75

Der Verzicht ist gegenüber der zuständigen Behörde "schriftlich oder zur Niederschrift" zu erklären.

Die Verzichtserklärung ist auf einem Schriftstück gegenüber der Finanzbehörde abzugeben. Es ist umstritten, ob die Verzichtserklärung eigenhändig unterschrieben werden muss. Teilweise wird die Erforderlichkeit einer Unterschrift verneint, da die Anforderungen an die Form des Einspruchsverzichts nicht höher sein können, als diejenigen an die Form des Einspruchs.[1] Diese Auffassung ist m. E. schon deshalb nicht zutreffend, weil es § 354 Abs. 2 S. 1 AO – anders als § 357 Abs. 1 S. 2 AO und § 362 Abs. 1 S. 2 AO – nicht ausdrücklich genügen lässt, dass der Absender lediglich erkennbar aus dem Schriftstück hervorgeht. Daher bedarf es – anders als bei der Einlegung des Einspruchs – entsprechend § 126 Abs. 1 BGB der eigenhändigen Unterschrift auf der Verzichtserklärung.[2]

 

Rz. 76

Der Verzicht kann auch zur Niederschrift erklärt werden. Die Erklärung des Verzichts zur Niederschrift hat dabei persönlich durch den Stpfl. oder seinen Vertreter an Amtsstelle zu erfolgen. Ein fernmündlicher Einspruchsverzicht ist daher unwirksam.[3]

Die Verzichtserklärung ist schriftlich von einem zuständigen Amtsträger aufzunehmen und zwingend von dem Stpfl. zu unterzeichnen.[4] Ein Aktenvermerk ohne Unterschrift des Stpfl. ist nicht als Niederschrift i. d. S. anzusehen.[5]

 

Rz. 77

Die Schriftform der Verzichtserklärung kann nach § 87a Abs. 4 S. 1 AO durch die elektronische Form ersetzt werden und somit z. B. auch per Email erfolgen. Das setzt jedoch nach § 87a Abs. 1 S. 1 AO voraus, dass die Finanzbehörde hierfür einen Zugang eröffnet hat, z. B. durch Angabe ihrer Email- oder Internetadresse auf dem Verwaltungsakt. Anders als bei der Einlegung des Einspruchs ist bei dem Verzicht die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes erforderlich.[6] Das ergibt sich zum einen daraus, dass § 354 AO es – anders als § 357 Abs. 1 S. 2 AO – nicht genügen lässt, dass sich der Einspruchsführer bzw. der Verzichtende aus dem Schreiben erkennen lässt. Zum anderen verwendet der Gesetzgeber in § 354 AO – ebenfalls anders als z. B. in § 357 AO – nicht das im Falle der Entbehrlichkeit der qualifizierten elektronischen Signatur aufgeführte Begriffspaar "schriftlich oder elektronisch".[7]

 

Rz. 78

Die Erklärung des Einspruchsverzichts kann auch durch Telegramm, Telefax oder Computerfax eingereicht werden.[8] Das Unterschriftserfordernis des § 354 AO steht dem nicht entgegen. Vielmehr ist nach Auffassung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ein Telegramm – ebenso wie ein Telefax und ein Computerfax – als rechtswirksamer Schriftsatz anzuerkennen, auch wenn es aus technischen Gründen vom Erklärenden nicht – eigenhändig und handschriftlich – unterzeichnet werden kann. Maßgeblich ist allein die auf Veranlassung des Absenders am Empfangsort erstellte, für den Adressaten bestimmte Urkunde, sodass es nicht darauf ankommt, ob diese auf einer "Urschrift" beruht, die am Absendeort aufgenommen und vom Erklärenden unterzeichnet worden ist.[9]

Erforderlich ist dabei jedoch, dass die eigenhändig unterschriebene Erklärung (ggf. in eingescannter Form) übermittelt wird bzw. die Identität des Verzichtenden einwandfrei feststeht.[10]

Rz. 79–84 einstweilen frei

[1] Jesse, Einspruch und Klage im Steuerrecht, 4. Aufl. 2017, Rz. 455; i. E. ebenso – ohne Begründung – Tappe, in HHSp, AO/FGO, § 354 AO Rz. 28; Hardtke, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 354 AO Rz. 4; Hornhues, in Zugmaier/Nöcker, AO, 1. Aufl. 2022, § 354 AO Rz. 22.
[2] Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 354 Rz. 22; Werth, in Gosch, AO/FGO, § 354 AO Rz. 14; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 354 AO Rz. 4; wohl auch BFH v. 3.4.1984, VII R 18/80, BStBl II 1984, 513.
[3] Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 354 Rz. 22.
[4] BFH v. 3.4.1984, VII R 18/80, BStBl II 1984, 513; OFD Hannover v. 1.11.1979, S 0619-3-StO 421, S 0619-4-StH 411; Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 354 Rz. 22; Werth, in Gosch, AO/FGO, § 354 AO Rz. 14; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 354 AO Rz. 4; a. A. – ohne nähere Begründung – Tappe, in HHSp, AO/FGO, § 354 AO Rz. 28; Hardtke, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 354 AO Rz. 4.
[5] OFD Hannover v. 1.11.1979 – S 0619-3-StO 421, S 0619-4-StH 411.
[6] Werth, in Gosch, AO/FGO, § 354 AO Rz. 14.
[7] BT-Drs. 14/9000, 28f.
[8] Werth, in Gosch, AO/FGO, § 354 AO Rz. 14; Tappe, in HHSp, AO/FGO, § 354 AO Rz. 28; Madle, in Leopold/Madle/Rader, AO-Praktikerkommentar Online, § 354 AO Rz. 7.
[9] GmS-OBG v. 5.4.2000, GmS-OBG 1/98, BGHZ 144, 160.
[10] Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 354 Rz. 22; Werth, in Gosch, AO/FGO, § 354 AO Rz. 14.

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