Rechtsbehelfsbelehrung zur elektronischen Einspruchseinlegung

Erwähnt die Rechtsbehelfsbelehrung die elektronische Einlegung i. S. des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO, ist ein zusätzlicher Hinweis auf die Möglichkeit einer Einspruchseinlegung mittels E-Mail nicht erforderlich. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs weder unvollständig noch unrichtig, wenn sie den Wortlaut der Vorschrift wiedergibt.

Hintergrund: Gesetzliche Regelungen

Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Der Einspruch ist gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 AO schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Er ist bei der Behörde anzubringen, deren Verwaltungsakt angefochten wird oder bei der ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts gestellt worden ist (§ 357 Abs. 2 Satz 1 AO).

Sachverhalt: Streit um fristgerechte Einspruchseinlegung

Mit Bescheid vom 18.6.2021 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für die Kinder A und B für den Zeitraum Januar 2017 bis Dezember 2019 auf und forderte deswegen 9.109,65 EUR von der Klägerin zurück. Der Bescheid enthielt folgende Rechtsbehelfsbelehrung:

"Dieser Bescheid kann mit dem Einspruch angefochten werden. […] Der Einspruch ist bei der Familienkasse X mit Sitz in Y schriftlich einzureichen, dieser elektronisch zu übermitteln oder dort zur Niederschrift zu erklären. Die Frist für den Einspruch beträgt einen Monat. […]".

Im finanzgerichtlichen Verfahren gab die Klägerin an, zum Zeitpunkt und zur Art und Weise des Zugangs des Bescheids keine genauen Angaben mehr machen zu können, den Bescheid jedoch spätestens am 9.7.2021 erhalten zu haben. Mit Faxschreiben vom 12.10.2021 legte die Klägerin Einspruch ein, den die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 3.12.2021 ohne Prüfung in der Sache als unzulässig, da verspätet, verwarf.

Im anschließenden Klageverfahren vertrat die Klägerin die Ansicht, dass die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids unrichtig sei. Die Familienkasse hätte ausdrücklich darüber belehren müssen, dass der Einspruch auch mittels einer einfachen E‑Mail hätte erfolgen können. Daher habe die Einspruchsfrist gemäß § 356 Abs. 2 Satz 1 AO ein Jahr betragen, so dass der Einspruch rechtzeitig erfolgt sei.

Das FG wies die Klage mit Gerichtsbescheid als unbegründet ab. Im Revisionsverfahren macht die Klägerin weiterhin geltend, der Einspruch habe die Einspruchsfrist gewahrt, denn diese betrage wegen unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung ein Jahr.

Entscheidung: Bescheid wegen Versäumung der Einspruchsfrist bestandskräftig

Der BFH entscheidet, dass das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden hat, dass der streitige Bescheid wegen Versäumung der Einspruchsfrist bestandskräftig geworden ist.

Die Monatsfrist für die Einspruchseinlegung beginnt nach § 356 Abs. 1 AO nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist. Über die Form des Einspruchs selbst ist hiernach nicht (zwingend) zu belehren.

Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder schriftlich oder elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht gegeben sei (§ 356 Abs. 2 Satz 1 AO).

Keine Verlängerung der Einspruchsfrist auf 1 Jahr

Im Streitfall verlängert sich die Einspruchsfrist nicht nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO auf 1 Jahr seit Bekanntgabe des Bescheids vom 18.6.2021. Die Rechtsbehelfsbelehrung der Familienkasse war vollständig und richtig.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Rechtsbehelfsbelehrung erst dann unrichtig, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint. Unerheblich ist hingegen, ob eine unrichtige Belehrung für die Fristversäumung ursächlich war. Eine Rechtsmittelbelehrung soll regelmäßig so einfach und klar wie möglich gehalten werden, um im Interesse rechtsunkundiger Beteiligter eine inhaltliche Überfrachtung zu vermeiden. Deshalb genügt es, wenn sie den Gesetzeswortlaut wiedergibt und verständlich über allgemeine Merkmale des Fristbeginns sowie über die Fristdauer informiert.

Danach ist die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids vom 18.6.2021 vollständig und richtig erteilt worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung genügt den Anforderungen von § 157 Abs. 1 Satz 3 und § 356 Abs. 1 AO. Sie gibt den Wortlaut des § 357 AO wieder und belehrt zutreffend, vollständig und unmissverständlich darüber, welcher Rechtsbehelf gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung zulässig ist und binnen welcher Frist dieser in welcher Form (schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift) bei welcher Behörde einzulegen ist. Eine weitergehende Belehrungspflicht bestand nicht.

Entgegen der Ansicht der Klägerin muss die Belehrung nicht den klarstellenden Hinweis enthalten, dass der Beteiligte den Einspruch auch per E-Mail einlegen kann. Denn bei Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht Pflichtangaben nach § 356 Abs. 1 AO sind, sind keine höheren Anforderungen an die Detailliertheit zu stellen als bei solchen Angaben, die notwendiges Element der Rechtsbehelfsbelehrung sind. Wenn es bezüglich der Frist (Pflichtangabe) ausreicht, den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung wiederzugeben, muss dies erst recht gelten, wenn Angaben zur Form gemacht werden, die schon dem Grunde nach nicht zwingender Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung sind.

Hinweis auf elektronische Form nicht irreführend

Die Aussage in der hier vorliegenden Rechtsbehelfsbelehrung „der Einspruch ist […] der Familienkasse […] elektronisch zu übermitteln“ ist aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung auch nicht geeignet, einen Irrtum über die formellen Voraussetzungen einer Einspruchseinlegung dergestalt hervorzurufen, dass der Einspruch nur mit einer qualifizierten elektronischen Signatur eingelegt werden könne.

Darüber hinaus wäre der von der Klägerin gewünschte Zusatz "Die Einlegung eines Einspruchs per einfacher E-Mail ist ausreichend" insofern irreführend, als die "elektronische" Einlegung des Einspruchs – wenn ein entsprechender Zugang eröffnet ist (§ 87a Abs. 1 Satz 1 AO) – auch mittels Telefax, Computerfax, Ferrari-Fax, E-Mail-to-Fax, E-Postbrief mit elektronischer Zustellung, De-Mail etc. zulässig sein kann. Die Nennung sämtlicher Möglichkeiten der Einspruchseinlegung müsste fortlaufend dem jeweiligen technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Digitalisierung und Telekommunikation Rechnung tragen und würde wegen ihres Umfangs und ihrer Kompliziertheit Verwirrung stiften, statt für Klarheit zu sorgen und die Rechtsmittelbelehrung inhaltlich überfrachten.

BFH, Beschluss v. 17.8.2023, III R 26/22; veröffentlicht am 2.11.2023

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