Leitsatz

1. Erwähnt die Rechtsbehelfsbelehrung die elektronische Einlegung im Sinne des § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO), ist ein zusätzlicher Hinweis auf die Möglichkeit einer Einspruchseinlegung mittels E‐Mail nicht erforderlich.

2. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs weder unvollständig noch unrichtig im Sinne des § 356 Abs. 2 AO, wenn sie den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergibt.

 

Normenkette

§ 356 Abs. 1 und 2, § 357 Abs. 1 Satz 1 AO, § 87a Abs. 3, § 157 Abs. 1 Satz 3, § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG

 

Sachverhalt

Die beklagte Familienkasse hob eine zugunsten der Klägerin erfolgte Kindergeldfestsetzung auf und forderte Kindergeld zurück. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid enthielt folgende Rechtsbehelfsbelehrung: "Dieser Bescheid kann mit dem Einspruch angefochten werden. […] Der Einspruch ist bei der Familienkasse X mit Sitz in Y schriftlich einzureichen, dieser elektronisch zu übermitteln oder dort zur Niederschrift zu erklären. Die Frist für den Einspruch beträgt einen Monat. […]" Die Klägerin legte durch ihren Vertreter hiergegen per Telefax Einspruch ein, der der Familienkasse jedoch erst nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist zuging. Die Familienkasse verwarf den Einspruch wegen Fristablauf als unzulässig. Im Klageverfahren machte die Klägerin geltend, die Rechtsbehelfsbelehrung sei unrichtig, da sie nicht den Hinweis enthalten habe, dass der Einspruch auch mittels einfacher E-Mail hätte eingelegt werden können. Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Gerichtsbescheid vom 5.5.2022, 16 K 16190/21, Haufe-­Index 15389596, EFG 2022, 1805) wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH hielt die Revision der Klägerin für unbegründet. Im Streitfall sei die Rechtsbehelfsbelehrung weder unterblieben noch unrichtig. Über die Form der Einspruchseinlegung müsse nicht belehrt werden. Soweit die Familienkasse gleichwohl darüber belehrt habe, sei die Belehrung nicht unrichtig. Der Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Übermittlung sei zutreffend. Über die dabei zulässigen Verfahren der elektronischen Übermittlung müsse die Familienkasse nicht belehren. Es sei der Klägerin zumutbar, sich selbst die erforderlichen Informationen zu verschaffen.

 

Hinweis

1. Der nach § 347 AO statthafte Einspruch ist grundsätzlich innerhalb einer Einspruchsfrist von einem Monat (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch ergangen, beginnt die Einspruchsfrist gemäß § 356 Abs. 1 AO jedoch nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte in einer Rechtsbehelfsbelehrung über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form in Kenntnis gesetzt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder schriftlich oder elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht gegeben sei (§ 356 Abs. 2 Satz 1 AO).

2. Die Form der Einspruchseinlegung regelt § 357 Abs. 1 AO. Danach ist der Einspruch schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Nach § 356 Abs. 1 AO muss sich die Rechtsbehelfsbelehrung nicht auf die Form der Einspruchseinlegung erstrecken. Enthält sie auch Aussagen über die Form der Einspruchseinlegung, dürfen diese nicht unrichtig sein.

3. Eine Rechtsbehelfsbelehrung soll regelmäßig so einfach und klar wie möglich gehalten werden, um im Interesse rechtsunkundiger Beteiligter eine inhaltliche Überfrachtung zu vermeiden. Deshalb genügt es, wenn sie den Gesetzeswortlaut wiedergibt und verständlich über allgemeine Merkmale des Fristbeginns sowie über die Fristdauer informiert. Unrichtig ist eine Rechtsbehelfsbelehrung erst dann, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint.

4. Enthält die Rechtsbehelfsbelehrung den Hinweis, dass der Einspruch "schriftlich einzureichen", der zuständigen Behörde X "elektronisch zu übermitteln" oder "dort zur Niederschrift zu erklären" ist, handelt es sich nicht um einen irreführenden und unrichtigen Inhalt. Der Begriff "übermitteln" beschreibt ebenso wie die Begriffe "einzureichen" (§ 357 Abs. 1 Satz 1 AO) und "Anbringung" (§ 357 Abs. 2 Satz 4 AO) den Transport des Einspruchs zur zuständigen Behörde. Der Begriff "elektronisch" beschreibt nur die Voraussetzungen, unter denen die Übermittlung eines elektronischen Dokuments den Anforderungen der Schriftlichkeit entspricht. Dadurch wird insbesondere gewährleistet, dass eine gewollte verfahrenseinleitende Erklärung vorliegt und diese Erklärung von einer bestimmten Person herrührt (

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