Rz. 9

Nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO kann der "zur Vertretung berufene Geschäftsführer" Einspruch einlegen. Diese Gesetzesformulierung ist missverständlich. Einspruchsbefugt ist nur die Personenvereinigung. Diese wird vertreten durch den vertretungsberechtigten Geschäftsführer.[1] § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO gibt dem vertretungsberechtigten Geschäftsführer kein eigenes Recht zum Einspruch, sondern er handelt als Vertreter für die Personenvereinigung. Diese wird Beteiligte des Einspruchsverfahrens.[2] Die Personenvereinigung nimmt kraft Gesetzes in "Prozessstandschaft" wiederum die rechtlichen Interessen der Feststellungsbeteiligten wahr.[3]

 

Rz. 9a

Die missverständliche Gesetzesformulierung hat seit jeher zu unzutreffend formulierten Einsprüchen oder Anträgen geführt. Was wirklich gewollt ist, hat die Behörde ggf. durch Auslegung der Erklärung zu ermitteln. Allerdings sind eindeutige Erklärungen nicht auslegungsfähig, und die Behörde darf Erklärungen eines Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe nicht gegen ihren Wortlaut interpretieren.[4]

Bei auslegungsfähigen Erklärungen ist, auch bei Erklärungen rechtskundiger Personen, regelmäßig davon auszugehen, dass der Beteiligte denjenigen Rechtsbehelf einlegen wollte, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft.[5] Eine Verfahrenshandlung sollte möglichst so ausgelegt oder umgedeutet werden, dass der Erfolg des Rechtsmittels nicht an Formalien scheitert. Ein unzutreffend formulierter Einspruch des Geschäftsführers in eigener Person, der nicht für sich selbst einspruchsbefugt wäre, anstelle der einspruchsbefugten Personenvereinigung ist in den zutreffenden Einspruch umzudeuten.[6] Der namens einer voll beendeten Personenvereinigung erhobene Einspruch ist gegen den Wortlaut als Einspruch des ehemaligen Feststellungsbeteiligten auszulegen, wenn die fehlerhafte Bezeichnung des Einspruchsführers durch eine fehlerhafte Bezeichnung im angefochtenen Verwaltungsakt veranlasst worden ist.[7]

 

Rz. 9b

Der für die Personenvereinigung handelnde Geschäftsführer, der auch als Feststellungsbeteiligter neben der Personenvereinigung kraft eigenen Rechts einspruchsbefugt ist, hat den Einspruch nur dann sowohl für die Personenvereinigung als auch für sich selbst erhoben, wenn er eine eindeutige entsprechende Erklärung abgegeben hat.[8] Der Einspruchsführer muss eindeutig identifizierbar sein.[9] Die Behörde darf insoweit nicht unterstellen, dass der Einspruch sowohl für die Personenvereinigung als auch in eigenem Namen eingelegt sein soll.[10] Die Behörde hat vielmehr durch Auslegung der Erklärungen die Beteiligtenstellung zu ermitteln.[11]

 

Rz. 9c

Das FG und der BFH können die Erklärungen ohne Bindung an die Feststellungen der Behörde bzw. des FG würdigen.[12]

[2] § 359 AO Rz. 9; FG München v. 7.3.2011, 7 K 2670/09, EFG 2011, 1585, für eine ausländische Personenvereinigung.
[4] BFH v. 28.3.2000, VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074; BFH v. 27.1.2006, VIII B 90/05, BFH/NV 2006, 966; anders bei nicht eindeutigen Erklärungen BFH v. 1.7.2004, IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162; anders bei – angeblich – offensichtlich unrichtiger Klägerbezeichnung BFH v. 8.11.2005, VIII B 3/96, BFH/NV 2006, 570; anders für nicht vertretene Beteiligte BFH v. 26.5.2004, I R 80/03, BFH/NV 2005, 26 m. w. N.
[6] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 48 FGO Rz. 8.

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