4.1 Grundsatz

 

Rz. 29

Dritte, die nicht Adressaten des Verwaltungsakts sind, sind nur ausnahmsweise einspruchsbefugt. Die Einspruchsbefugnis ist nur dann gegeben, wenn der Verwaltungsakt ihnen gegenüber Rechtswirkungen oder einen Rechtsschein entfaltet. Sie müssen eine aus dem Verwaltungsakt erwachsende eigene Beschwer geltend machen können. Dies ist nur der Fall, wenn der Verwaltungsakt unmittelbar in ihre eigene steuerrechtliche Rechtssphäre eingreift.[1] Die persönliche Einschränkung der Einspruchsbefugnis durch § 352 AO bleibt unberührt.

Die faktische Wirkung des Verwaltungsakts auf die privatrechtlichen Beziehungen zwischen einem Dritten und dem Stpfl. begründet für den Dritten keine Beschwer.[2] Auch wenn der Verwaltungsakt einen z. B. privatrechtlichen Anspruch des Stpfl. gegen den Dritten zur Folge hat, ergibt sich keine Einspruchsbefugnis.[3] Die bürgerlich-rechtliche Verpflichtung zur Lastentragung ist nicht ausreichend.[4]

 

Rz. 30

Der Dritte kann eine Beschwer durch einen nicht gegen ihn gerichteten Verwaltungsakt erlangen, wenn dieser steuerrechtliche Regelungen verletzt, denen zugunsten des Einspruchsführers drittschützende Rechtswirkungen zukommen.[5] Dritte können nicht im Einspruchsverfahren geltend machen, dass ein Verwaltungsakt einen anderen Stpfl. rechtswidrig begünstige, da ein subjektives Recht auf Gleichbehandlung nicht besteht. Drittschützende Rechtswirkung setzt voraus, dass die dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Rechtsnormen auch dem Schutz Dritter dienen.

 

Rz. 31

Eine solche eigene Beschwer ergibt sich bei den Abzugsteuern für den eigentlichen Steuerschuldner hinsichtlich der Steueranmeldung des Abzugsverpflichteten, wenn er die Unrechtmäßigkeit des Steuerabzugs geltend macht.[6]

 

Rz. 32

Bei einem Feststellungsbescheid im Insolvenzverfahren nach § 251 Abs. 3 AO ist nur derjenige beschwert, der der Anmeldung widersprochen hat. Der Insolvenzverwalter ist bei Ablehnung des Erlasses des angemeldeten Anspruchs einspruchsbefugt.[7]

Bei einem Kirchensteuerbescheid bei konfessionsverschiedenen Ehen ist ausschließlich der jeweilige Ehepartner einspruchsbefugt, der der betreffenden Glaubensgemeinschaft angehört.[8]

Bei Übertragung des Kinderfreibetrags ist nur der Elternteil einspruchsbefugt, in dessen ESt-Bescheid der Freibetrag berücksichtigt worden ist.[9]

Angehörige der steuerberatenden Berufe sind bei Ablehnung oder Widerruf einer Fristverlängerung für ihre Mandanten nicht in ihrer eigenen Rechtsstellung berührt und nicht einspruchsbefugt.[10]

Durch die namentliche Erwähnung eines Dritten als Mithaftender erlangt dieser Dritte keine Einspruchsbefugnis gegen den Haftungsbescheid, da ihm gegenüber keine Regelung getroffen ist.[11]

Gegen eine Pfändung kann sich auch ein Dritter wenden, wenn diese gegen Vollstreckungsvorschriften verstößt, die insoweit auch Schutzfunktion für ihn haben.[12]

Ehemalige gesetzliche Vertreter sind nicht einspruchsbefugt hinsichtlich solcher Verwaltungsakte, die zwar Zeiträume betreffen, in denen die Rechtsstellung bestand, aber nach Beendigung ihrer Rechtsstellung ergangen sind.[13]

Der Abzweigungsberechtigte ist nach § 67 Abs. 1 S. 2 EStG befugt, einen Antrag auf Gewährung des Kindergelds zu stellen[14] und im Fall der Ablehnung der Kindergeldgewährung auch einspruchsbefugt.[15]

Bei gesonderten Feststellungen von Grundbesitzwerten nach den §§ 151ff. BewG wird § 350 AO durch § 155 BewG ergänzt. Danach sind zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen den Feststellungsbescheid die Beteiligten am Feststellungsverfahren i. S. d. § 154 Abs. 1 BewG sowie diejenigen befugt, für deren Besteuerung nach dem GrEStG der Feststellungsbescheid von Bedeutung ist. Deshalb kann auch der Schenker einen gegen den Bedachten ergangenen Bedarfswertbescheid anfechten, auch wenn er ihm nicht bekannt gegeben wurde.[16]

[2] Hardtke, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 21. Aufl. 2015, § 350 AO Rz. 5; vgl. für das wirtschaftliche Interesse eines Dritten an einer Billigkeitsmaßnahme FG Hamburg v. 22.2.1980, IV 29/79 S-H, EFG 1980, 406, 407; für das primär wirtschaftliche und nur mittelbare steuerliche Interesse an der Zusammenveranlagung des die Erbschaft ausschlagenden Ehegatten s. FG Hamburg v. 20.9.2004, II 421/03, EFG 2005, 207; s. für das wirtschaftliche Interesse des zivilprozessualen Vollstreckungsgläubigers BGH v. 27.3.2008, VII ZB 70/06, BFH/NV 2009, 111.
[3] FG Düsseldorf v. 20.6.1977, XI 70/75 E, EFG 1978, 31.
[4] BFH v. 27.7.1983, II R 21/83, BStBl II 1983, 645 für die Einspruchsbefugnis des unterhaltspflichtigen Ehegatten, der nicht Adressat des Kirchensteuerbescheids ist; s. Rz. 13; s. auch BVerfG v. 30.8.1982, 1 BvR 1109/81, HFR 1984, 73.
[5] Zur Konkurrentenklage s. BFH v. 18.9.1984, VII R 50, 51/82, BStBl II 1985, 12; FG des Landes Sachsen-Anhalt v. 10.2.2003, 1 K 30456/99, EFG 2003, 910; zum nicht ausreichenden wirtschaftlichen Interesse an einer niedrigeren Steuerbelastung einer erworben...

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