Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 350 AO begrenzt den Kreis der einspruchsbefugten Personen. Nicht jedermann soll Einspruch einlegen können, sondern nur der, der geltend machen kann, beschwert zu sein. Wie auch im finanzgerichtlichen Verfahren ist der Popularrechtsbehelf ausgeschlossen. § 40 Abs. 2 FGO beschränkt die Befugnis gegen einen Verwaltungsakt zu klagen, wenn der Kläger nicht geltend machen kann, "durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein". § 350 AO entspricht im Wesentlichen dieser Regelung. Der außergerichtliche Rechtsbehelf muss angesichts der Tatsache, dass er notwendiges Vorverfahren ist, im gleichen Umfang möglich sein, wie der gerichtliche Rechtsschutz.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Beschwer ist Voraussetzung für die Durchführung des Einspruchsverfahrens und deshalb zuvor von Amts wegen zu prüfen (BFH v. 07.11.1969, III B 27/69, BStBl II 1970, 217). Bei der Beschwer handelt es sich um einen prozessualen Rechtsbegriff (BFH v. 27.11.1985, II R 90/83, BStBl II 1986, 243). Sie ist rechtliche Betroffenheit durch Verletzung des Rechts des Einspruchsführers auf gesetzmäßige Besteuerung oder abgabenrechtliche Behandlung. Es müssen rechtlich geschützte Interessen des Steuerpflichtigen betroffen sein (BFH v. 29.11.1995, X B 328/94, BStBl II 1996, 322). Diese Interessen müssen steuerrechtlicher Natur sein. Die Beeinträchtigung allein zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Interessen genügen nicht (BFH v. 11.04.1991, V R 86/85, BStBl II 1991, 729; BFH v. 27.07.1983, II R 21/83, BStBl II 1983, 645).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren kann die Beschwer in zwei Fällen weitergehender sein, als dies in einem gerichtlichen Verfahren möglich ist (dazu § 40 FGO). So ist der Steuerpflichtige auch durch eine fehlerhafte Ermessensausübung beschwert. Während er im Finanzgerichtsverfahren aber darauf beschränkt wird, die Ermessensausübung nur in Bezug auf Ermessensüber- und -unterschreitung sowie Ermessensfehlgebrauch überprüfen lassen zu können (§ 102 FGO), kann im finanzbehördlichen Rechtsbehelfsverfahren bereits die unzweckmäßige Ermessensausübung innerhalb des Ermessensspielraums zu einer Beschwer führen (AEAO zu § 350, Nr. 1 Satz 1). Eine zweite Abweichung ergibt sich daraus, dass zwar nicht die Finanzgerichte, wohl aber die Finanzbehörden an Verwaltungsvorschriften gebunden sind. Die Beschwer im Einspruchsverfahren bedarf also nicht der Verletzung eines Gesetzes, sondern kann bereits bei Nichtbeachtung von Verwaltungsvorschriften gegeben sein.

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Einspruchsbefugt ist zunächst derjenige, der von dem Verwaltungsakt betroffen ist. Das ist grundsätzlich der Adressat des Verwaltungsaktes, d. h. derjenige, gegen den sich die Verfügung richtet oder für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt ist (BFH v. 29.11.1995, X B 328/94, BStBl II 1996, 322). Einsprüche zugunsten der Allgemeinheit oder zugunsten Dritter sind ausgeschlossen (BFH v. 27.11.1985, II R 90/83, BStBl II 1986, 243; BFH v. 06.12.1991, III R 81/89, BStBl II 1992, 383; aber Rz. 5). Einspruchsbefugt gegen einen an eine Personengesellschaft gerichteten Gewerbesteuermessbescheid ist nur die Personengesellschaft selbst; Rechte der Gesellschafter können hierdurch nicht betroffen sein (BFH v. 26.06.2007, IV R 75/05, DStR 2008, 341 m. w. N.). Bei mehreren Adressaten ist jeder selbstständig einspruchsbefugt. Ein Ehegatte/Lebenspartner kann sogar allein durch eine von der Steuererklärung abweichende Zuordnung der Einkünfte beschwert sein, auch wenn sich zwar die Gesamtschuld nicht geändert hat, aber noch deren Aufteilung im Vollstreckungsverfahren gem. §§ 268ff. AO möglich ist (BFH v. 16.08.1978, I R 125/75, BStBl II 1979, 26; BFH v. 07.11.1986, II B 50/85, HFR 1987, 112). Dem Adressaten wird sein Rechtsnachfolger gleichgestellt (§ 45 AO), nicht jedoch der Testamentsverwalter, der weder als Vertreter des Erblassers noch als Vertreter des Erben auftritt (BFH v. 16.12.1977, III R 35/77, BStBl II 1978, 383). Die gesetzlichen Vertreter haben die Rechte und Pflichten des Vertretenen nach § 34 Abs. 1 AO als eigene Rechte zu erfüllen und sind insoweit Steuerpflichtige (FG Bre v. 19.11.1991, II 120/91 K, EFG 1992, 176). Nicht beschwert ist der Bevollmächtigte durch einen an seinen Mandanten gerichteten Verwaltungsakt.

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein Dritter, der nicht Adressat des Verwaltungsaktes ist, ist ausnahmsweise nur dann einspruchsbefugt, wenn er seine Beschwer darauf stützt, neben dem Steuerpflichtigen von einer Steuerfestsetzung betroffen zu sein. Der Verwaltungsakt muss auch ihm gegenüber Rechtswirkungen oder einen Rechtsschein entfalten. Er muss in die steuerliche Rechtssphäre des Dritten eingreifen und nicht lediglich privatrechtliche Beziehungen zwischen ihm und dem Steuerpflichtigen berühren (BFH v. 27.07.1983, II R 21/83, BStBl II 1983, 645; FG Ddor...

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