3.2.1 Existente Beschwer

 

Rz. 12

Der Einspruch ist nur statthaft, wenn die Finanzbehörde einen Verwaltungsakt erlassen bzw. den Rechtsschein eines wirksamen Verwaltungsakts gesetzt hat.[1] Aus diesem Verwaltungsakt, der durch die Anfechtung Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden ist, muss sich die Beschwer ergeben.

Der Einspruch setzt eine bestehende Rechtsverletzung voraus, die zu einer aktuellen Belastung führt. Die Rechtswirkungen des Verwaltungsakts müssen aktuell noch existieren. Das Einspruchsverfahren dient nicht zur Klärung abstrakter Rechtsfragen.[2] Die Finanzbehörde hat keine Gutachterfunktion hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit nicht mehr wirksamer Verwaltungsakte. Die Klärung der Frage, ob ein erledigter Verwaltungsakt rechtswidrig war, kann im Ausnahmefall durch die an die Anfechtungsklage anschließende Fortsetzungsfeststellungsklage[3], ansonsten nur in einem Folgeverfahren, z. B. in einem Klageverfahren auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung[4], erreicht werden, bei dem die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts eine rechtliche Vorfrage der Entscheidung ist.[5]

 

Rz. 12a

Der Regelungsinhalt des angefochtenen Verwaltungsakts darf also nicht durch Rücknahme, Aufhebung oder Widerruf oder durch Zeitablauf bzw. sonstige Erledigung vollständig wirkungslos geworden sein.[6] Mit Eintritt der Wirkungslosigkeit entfällt von diesem Zeitpunkt an die Einspruchsbefugnis.[7]

 

Rz. 13

Wird der mit dem Einspruch angefochtene Verwaltungsakt während des Einspruchsverfahrens inhaltlich geändert oder nach vollständiger Beseitigung durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt, so setzt sich das Einspruchsverfahren gem. § 365 Abs. 3 AO an dem geänderten oder ersetzenden Verwaltungsakt fort. Die Einspruchsbefugnis bestimmt sich demgemäß nach dem neuen Verwaltungsakt.[8] Auch wenn die Finanzbehörde mit dieser Änderung oder Ersetzung den bisherigen Einwendungen abhelfen will[9], ist der Einspruchsführer, wenn er den Einspruch nicht zurücknimmt oder für erledigt erklärt[10], nicht gehindert, mit weiteren Einwendungen den Verwaltungsakt anzugreifen. Der Einspruchsführer kann auch auf alte Einwendungen zurückgreifen, selbst wenn er diese zwischenzeitlich nicht weiter verfolgt hat.[11]

[1] § 347 AO Rz. 52, 53; Siegers, in HHSp, AO/FGO, § 350 AO Rz. 71f.; zur Unterlassung s. Rz. 27.
[4] Vor §§ 78–133 AO Rz. 46.
[7] BFH v. 11.3.1992, X R 116/90, BFH/NV 1992, 757 für die Anfechtung einer Prüfungsanordnung nach Prüfungsabschluss; vgl. für die teilweise Rücknahme eines Haftungsbescheids BFH v. 16.7.1992, VII R 60/91, BFH/NV 1993, 153; s. hierzu Rz. 19.

3.2.2 Beschwer durch die Regelung

3.2.2.1 Grundsatz

 

Rz. 14

Die Beschwer muss sich aus der Regelungsaussage des angefochtenen Verwaltungsakts ergeben.[1] Der unzutreffende Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen kann nur im Ausnahmefall eine Beschwer begründen. Auch die Angabe einer unzutreffenden Steuernummer vermag für den Adressaten des Steuerbescheids eine Beschwer nicht zu begründen.[2]

3.2.2.2 Beschwer durch Belastung

 

Rz. 15

Eine Beschwer nach § 350 AO ist in jedem Fall gegeben, wenn eine belastende Regelung vorliegt[1] und die Belastung grundsätzlich oder hinsichtlich der Höhe bestritten wird. Hierbei ist es unerheblich, dass z. B. die Finanzbehörde die Steuerfestsetzung nach den Angaben in der Steuererklärung vorgenommen oder sonst einem Antrag inhaltlich entsprochen hat. Bis zum Eintritt der Bestandskraft eines Verwaltungsakts kann der Stpfl. jederzeit seine Rechtsmeinung oder ggf. Anträge ändern, um ein günstigeres Ergebnis zu erzielen bzw. auch eigene Fehler zu berichtigen.

 

Rz. 16

Für die Beschwer durch eine Steuerfestsetzung ist i. d. R. unmittelbar auf den festgesetzten Steuerbetrag abzustellen, nicht aber allgemein auf das geldwerte Interesse.[2] Die Belastung entfällt nicht dadurch, dass der Festsetzung kein nach § 254 Abs. 1 AO die Fälligkeit begründendes Leistungsgebot beigefügt ist, oder sich aufgrund der Steuerabrechnung durch die Verrechnung mit Vorauszahlungen, Steuerabzugsbeträgen oder Guthaben keine Zahllast bzw. sogar ein Erstattungsbetrag ergibt.[3]

Bei einem Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO besteht die Einspruchsbefugnis nur hinsichtlich der Verrechnungen und der Zahlungen, nicht aber hinsichtlich der Frage, ob der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis besteht.[4] Die Festsetzung des Anspruchs erfolgt gem. § 218 Abs. 1 AO durch einen entsprechenden gesonderten Verwaltungsakt, also i. d. R. durch den Steuerbescheid.

 

Rz. 17

Für die Annahme der Beschwer nach § 350 AO ist, anders als für die Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO[5], der Inhalt der vom Einspruchsführer erhobenen Einwendungen bei einer Belastung durch die Regelung ohne Bedeutung. Auch regelungsneutrale Einwendungen, wenn z. B. trotz der Einwendungen die Regelungsaussage mit einer and...

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