8.3.1 Allgemeines

 

Rz. 54

Ein unwirksamer Verwaltungsakt erzeugt keine Rechtswirkungen, sodass er grundsätzlich nicht einspruchsfähig wäre. Für den Adressaten des unwirksamen Verwaltungsakts besteht aber ein Rechtsschutzbedürfnis, die Unwirksamkeit des Verwaltungsakts geltend machen zu können.[1] Der Streit über die rechtliche Wirksamkeit eines Verwaltungsakts ist im Weg des Einspruchs zu führen.

8.3.2 Nichtiger Verwaltungsakt

 

Rz. 55

Ist ein Verwaltungsakt von der Finanzbehörde erlassen worden, der gem. § 125 AO nichtig ist, so erzeugt dieser nach § 124 Abs. 3 AO keine Rechtswirkungen. Ein Einspruchsverfahren hätte demgemäß keine Grundlage. Der Beteiligte kann nach § 125 Abs. 5 AO bei der Finanzbehörde einen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit stellen oder auch unmittelbar gem. § 41 Abs. 1 FGO Klage auf Feststellung der Nichtigkeit beim FG erheben. Der Beteiligte trägt hier allerdings ein Verfahrensrisiko, wenn nur die Rechtswidrigkeit, nicht aber die Nichtigkeit des Verwaltungsakts vorliegt. Im Interesse des sicheren Rechtsschutzes des Beteiligten ist demgemäß auch gegen den nichtigen Verwaltungsakt der Einspruch gegeben. Angegriffen wird hier der gegen den Beteiligten wirkende Rechtsschein. Wird im Einspruchsverfahren dann die Nichtigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts festgestellt, so ist der Einspruch begründet und die Einspruchsentscheidung[1] entsprechend zu tenorieren, sofern die Finanzbehörde den Einspruch nicht durch die Feststellung der Nichtigkeit abhelfen will.

 

Rz. 56

Wird der Antrag nach § 125 Abs. 5 AO während der Einspruchsfrist erhoben, so muss bei Nichtvorliegen der Nichtigkeit der Antrag in einen Einspruch umgedeutet werden, da die Rechtsunsicherheit für den Beteiligten nicht zum Verlust des Rechtsschutzes führen darf. Die falsche Bezeichnung des Einspruchs ist nach § 357 Abs. 1 S. 3 AO für den Beteiligten unschädlich.

8.3.3 Nichtakt

 

Rz. 57

Ein Verwaltungsakt setzt begrifflich eine auf einer Willensentscheidung beruhende hoheitliche Maßnahme voraus. Ein Nichtakt[1] ist gegeben, wenn eine Willensäußerung der Behörde fehlt (z. B. Bekanntgabe eines Entscheidungsentwurfs) bzw. wenn die Willensäußerung der Behörde nicht zurechenbar ist (z. B. Erlass eines "Verwaltungsakts" durch eine Person ohne Amtsträgereigenschaft). Da ein solcher Nichtakt keine Rechtswirkungen zur Folge hat, würde insoweit mangels wirksamen Verwaltungsakts ebenfalls ein Einspruch ausgeschlossen sein. Aber auch dieser Nichtakt erzeugt, wenn er in seiner äußeren Form nicht von einem ordnungsgemäßen Verwaltungsakt zu unterscheiden ist, im Außenverhältnis ggf. einen belastenden Rechtsschein, gegen den sich der Empfänger verteidigen können muss. Der Empfänger des Nichtakts ist in der gleichen Lage wie der Adressat eines nichtigen Verwaltungsakts. Auch gegen den Nichtakt ist dementsprechend der Einspruch zulässig.[2]

[2] FG München v. 18.1.2013, 3 V 3225/12, EFG 2013, 646; FG des Saarlandesv. 28.4.1994, 2 K 3/92, EFG 1995, 135.

8.3.4 Unwirksame Bekanntgabe

 

Rz. 58

Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts nach § 122 AO ist selbst ein behördlicher Akt.[1] Inhaltliche Mängel der Adressierung des Verwaltungsakts, die den Inhalts- oder Bekanntgabeadressaten des Verwaltungsakts betreffen[2], haben nach § 124 BGB zur Folge, dass die Bekanntgabe unwirksam ist. Durch die unwirksame Bekanntgabe[3], z. B. Bekanntgabe des Verwaltungsakts an den unrichtigen Empfänger und Weiterleitung von diesem an den richtigen Empfänger, oder ein schriftlicher Verwaltungsakt gelangt ohne Willen des zuständigen Amtsträgers an den Empfänger, wird aber der Verwaltungsakt gem. § 124 Abs. 1 AO nicht wirksam. Er begründet für und gegen den Empfänger keine Rechtsfolgen. Es kommt auch keine Heilung des Mangels in Betracht.[4] Allerdings besteht insoweit der Rechtsschein eines bekannt gegebenen Verwaltungsakts. Das Rechtsschutzbedürfnis gebietet in diesem Fall, dem Empfänger die Möglichkeit zum Einspruch zu eröffnen.[5]

Demgegenüber bewirken andere Mängel im Bekanntgabevorgang des Verwaltungsakts zwar gem. § 124 AO zunächst auch, dass dieser nicht wirksam wird, die Heilung des Mangels aber dadurch möglich ist, dass der Verwaltungsakt dem Empfänger tatsächlich und nachweislich, z. B. durch Weiterleitung, bekannt wird.[6]

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