Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Kirchensteuererhebung gegenüber Nichtmitgliedern

 

Leitsatz (NV)

1. Einer Kirche steht kein Besteuerungsrecht gegenüber Nichtmitgliedern zu.

2. Leben Eheleute in einer konfessionsverschiedenen Ehe, so darf ein Bescheid über ev Kirchensteuer nur an den ev Ehegatten gerichtet werden. Wird ein entsprechender Bescheid auch an den rk Ehegatten gerichtet, so ist er auf dessen Klage insoweit aufzuheben.

3. Die Klage eines rk Ehegatten mit dem Antrag, die ev Kirchensteuer gegenüber seinem ev Ehegatten nur nach dessen Ein kommen festzusetzen, ist mangels Beschwer unzulässig.

 

Normenkette

KiStG NW § 3 Abs. 1, § 6; FGO § 40 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Aus den jeweiligen Kirchensteuerberechnungen ergibt sich, daß dieselben nach den festgesetzten Einkommensteuern unter Beachtung des § 51 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt wurden. Die Bemessungsgrundlage wurde je zur Hälfte dem Kläger und seiner Ehefrau zugerechnet.

Gegen die Festsetzung ev Kirchensteuer 1988 bis 1990 legte nur der Kläger Einspruch ein. Diesen wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) durch Einspruchsentscheidung vom 29. April 1992 als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers ab.

Mit seiner vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger sinn gemäß die Verletzung von § 3 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KiStG NW).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der ev Kirchensteuerbescheide 1988 bis 1990 vom 13. bzw. 20. März 1992, soweit sie sich gegen den Kläger richten. Die weitergehende Klage war als unzulässig abzuweisen.

1. Nach § 3 Abs. 1 KiStG NW sind alle Angehörigen der Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt i. S. der §§ 8 und 9 der Abgabenordnung (AO 1977) im Land Nordrhein-Westfalen haben, kirchensteuerpflichtig. Diese Regelung ist dahin zu verstehen, daß keiner der beiden Kirchen ein Besteuerungsrecht gegenüber Nichtmitgliedern zusteht (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 14. Dezember 1965 1 BvR 606/60, BVerfGE 19, 268; Beschluß vom 8. Februar 1977 1 BvR 329/71 u. a., BVerfGE 44, 37; v. Mangold /Klein /v. Campenhausen, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 140, Rdnr. 201; Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, Art. 140, Rdnr. 336). Aus der Pflicht zu weltanschaulich- religiöser Neutralität des Staates folgt, daß einer Religionsgemeinschaft Besteuerungsbefugnisse nur über Personen verliehen werden dürfen, die ihr mitgliedschaftlich angehören. In diesem Sinne ist auch Art. 140 des Grundgesetzes (GG) auszu legen. § 6 KiStG NW steht dem nicht ent gegen. Die Vorschrift betrifft nur die Grundsätze über die Erhebung von Kirchensteuern. Sie ändert nicht die in § 3 Abs. 1 KiStG NW geregelte persönliche Steuerpflicht des einzelnen Angehörigen. Deshalb kann auch in einer konfessionsverschiedenen Ehe ein ev Kirchensteuer bescheid nur gegenüber dem Ehegatten ergehen, der der ev Kirche mitgliedschaftlich angehört. Ob gegenüber dem rk Ehegatten ein Haftungsbescheid für ev Kirchensteuerschulden seines ev Ehegatten ergehen darf (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KiStG NW), ist eine andere Frage, die im Streitfall keiner Entscheidung bedarf, weil ein entsprechender Haftungsbescheid vom Beklagten nicht erlassen und vom Kläger nicht angefochten wurde.

2. Die ev Kirchensteuerbescheide 1988 bis 1990 vom 13. bzw. 20. März 1992 lassen nicht erkennen, ob sie sich -- wie es richtig gewesen wäre -- nur gegen die Ehefrau des Klägers oder auch gegen diesen richten. Zwar ergibt sich aus der Berechnung der ev Kirchensteuern, daß sie nur die Ehefrau des Klägers betreffen sollen. Jedoch kann aus der Berechnung der ev Kirchensteuern nicht zwingend auf die Adressierung der Bescheide geschlossen werden. Die Festsetzung der ev Kirchensteuern steht in einem Zusammenhang mit Einkommensteuerbescheiden, die sich gegen den Kläger und seine Ehefrau richten. Der Beklagte geht in seinen Stellungnahmen von der Existenz von ev Kirchensteuerbescheiden auch gegenüber dem Kläger aus. Entsprechend ist die Vorentscheidung zu ver stehen. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, daß zumindest der Schein der Festsetzung ev Kirchensteuern 1988 bis 1990 gegenüber dem Kläger besteht, den dieser mit Hilfe einer Anfechtungsklage aufheben lassen kann. Da die Festsetzung ev Kirchensteuern 1988 bis 1990 dem § 3 Abs. 1 KiStG NW widerspricht, sind die entsprechenden Bescheide aufzuheben, soweit sie sich gegen den Kläger richten. Durch diese Entscheidung wird die Wirksamkeit der Festsetzung ev Kirchensteuern 1988 bis 1990 gegenüber der Ehefrau des Klägers nicht berührt.

3. Der weitergehende Klageantrag des Klägers, die ev Kirchensteuern 1988 bis 1990 nur nach dem Einkommen der Ehefrau des Klägers festzusetzen, ist unzulässig. Insoweit fehlt dem Kläger die nach § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche Klagebefugnis. Er kann nicht geltend machen, durch die Festsetzung ev Kirchensteuern 1988 bis 1990 gegenüber seiner Ehefrau nach einer angeblich zu hohen Bemessungsgrundlage in eigenen Rechten verletzt zu sein. Zwar haftet der Kläger nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KiStG NW für die ev Kirchensteuern seiner Ehefrau. Dies begründet jedoch keine Klagebefugnis im Besteuerungsverfahren der Ehefrau. Vielmehr kann der Kläger im Haftungsverfahren die nach seiner Auffassung unzutreffende Steuerfestsetzung angreifen. Für eine gewillkürte Prozeßstandschaft fehlt es an der erforderlichen Gesetzesgrundlage. Deshalb war die weitergehende Klage des Klägers als unzulässig abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420055

BFH/NV 1995, 439

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