Rz. 12

Sachliche Stundungsgründe liegen vor, wenn aufgrund der objektiven Verhältnisse die Steuerzahlung zur Zeit der Fälligkeit nicht zumutbar ist. Dabei muss es sich also um Umstände handeln, die von der persönlichen wirtschaftlichen Situation des Schuldners unabhängig die Zahlung bei Fälligkeit als erhebliche Härte erscheinen lassen. Das ist z. B. der Fall, wenn dem Steuerschuldner aus anderen Steuern oder Zeiträumen mit Sicherheit Erstattungsansprüche erwachsen oder nach kurz bevorstehender Rechtsbehelfsentscheidung die Steuern selbst zurückzuzahlen sein würden[1], oder wenn sonst Gegenansprüche an den Staat bestehen[2], insbesondere wenn Ansprüche aus Lieferverträgen von den Behörden verzögert bearbeitet werden. Dies gilt auch, wenn zur Zeit eine Aufrechnungslage noch nicht besteht, sofern das Entstehen der Forderung und ihre Höhe absehbar sind. Deswegen kann eine erhebliche sachliche Härte u. U. auch dann gegeben sein, wenn der Steuerschuldner erst nach Ablauf des Kalenderjahres der begünstigten Investitionen in Kürze einen Antrag auf Gewährung der InvZul stellen kann, die mit Sicherheit die zu stundende Steuerschuld übersteigt[3]. Die Gegenseitigkeit der Forderungen muss allerdings gegeben sein. Auch darf die Stundung nicht zu einer völligen Umgehung der gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte führen. Eine ungewisse Aussicht auf Erstattung oder Vergütung von Beträgen reicht dagegen nicht[4]. Zur Verrechnungsstundung vgl. auch Rz. 15.

 

Rz. 13

Eine zweifelhafte Rechtslage allein ist kein sachlicher Grund für eine Stundung. Insoweit hat der Stpfl. seine Einwendungen im Rechtsbehelfsverfahren geltend zu machen und ggf. Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 zu beantragen. Die Entscheidung, ob Steueransprüche wegen eines Rechtsbehelfsverfahrens zunächst nicht eingezogen werden, ist dabei grundsätzlich im Verfahren über den vorläufigen Rechtsschutz zu treffen[5]. Sind die Voraussetzungen dieser besonderen Vorschrift nicht erfüllt, so kommt eine Stundung auch nur in Betracht, wenn ein zusätzlicher Grund das Hinausschieben der Fälligkeit rechtfertigt.

 

Rz. 14

Eine erhebliche sachliche Härte kann auch dann angenommen werden, wenn der Stpfl. nicht zu dem Zeitpunkt mit einer so hohen Voraus- oder Abschlusszahlung rechnen konnte (ebenso Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 26). Hatte der Stpfl. mit gleichbleibenden Vorauszahlungen[6] oder mit einem Guthaben bei der Veranlagung rechnen können und hat sich diese Annahme aus von ihm nicht vorhersehbaren Gründen als falsch herausgestellt, so können vom Stpfl. keine unzumutbaren Anstrengungen zur Beschaffung flüssiger Mittel gefordert werden (z. B. Verkauf nicht wieder zu beschaffender Werte trotz bald zu erwartender Mittel für die Bezahlung der Steuern). Entsprechendes gilt auch, wenn neben einer Abschlusszahlung für den Stpfl. überraschend Anpassungsvorauszahlungen für die Vergangenheit und erhöhte Vorauszahlungen im laufenden Quartal zu zahlen sind. Schließlich ist auch dann eine unbillige Härte sachlicher Art anzunehmen, wenn der zu zahlende Betrag mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (z. B. auf Grund einer bevorstehenden Rechtsbehelfsentscheidung) alsbald zu erstatten sein wird[7]. Grund für die bevorstehende Erstattung, die die Sofortzahlung zu einer sachlichen Härte werden lassen kann, kann auch ein Verlustrücktrag aus einem bereits abgelaufenen und mit Steuererklärungen versehenen Verlustjahr sein. Hierher gehört auch die sog. Verrechnungsstundung (s. Rz. 15).

Stundungen aus sachlichen Billigkeitsgründen werden häufig durch einzelne Verwaltungsanweisungen bundesweit oder in einzelnen Ländern angeordnet, wenn Bewohner bestimmter Gebiete oder bestimmte Gruppen von Stpfl. durch Naturkatastrophen (z. B. Überschwemmungen) oder Schäden (z. B. Verstrahlung von landwirtschaftlichen Produkten) betroffen worden sind. Hier sollen die Stundungen ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage des einzelnen Stpfl. gewährt werden.

Zur Frage der Stundung bei Steuerabzugsbeträgen, deren Einziehung oder Abführung mit erheblichen Härten verbunden ist, vgl. Rz. 18a–18c.

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