Rz. 3

Nach § 161 AO führt die Feststellung von Fehlmengen verbrauchsteuerpflichtigen Waren zu zwei widerlegbaren Vermutungen. Nach § 161 S. 1 Alt. 1 AO wird für die festgestellte Fehlmenge vermutet, dass die Verbrauchsteuer entstanden ist, sofern der Steuerschuldner nicht glaubhaft macht, dass die Fehlmengen auf Umstände zurückzuführen sind, die eine Steuerschuld nicht begründen. Die Vermutung der Alt. 2, für die festgestellte Fehlmenge werde eine bedingt entstandene Verbrauchsteuer unbedingt, hat nach dem Inkrafttreten des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes keine Bedeutung mehr.[1] Kernstück des neuen Verbrauchsteuerrechts ist das Steueraussetzungsverfahren, das die Konstruktion der "bedingten Steuer" überflüssig werden lässt.[2]

 

Rz. 4

S. 2 enthält die Vermutung, dass die Steuer im Zeitpunkt der Bestandsaufnahme entstanden ist, sofern der Steuerschuldner nicht glaubhaft macht, dass die Steuer in einem anderen Zeitpunkt entstanden ist.

 

Rz. 5

Die Bedeutung der Vorschrift besteht darin, dass sie mithilfe der in ihr enthaltenen gesetzlichen Vermutungen eine vom sonstigen Ermittlungs- und Feststellungsverfahren abweichende Erleichterung zulässt, aufgrund derer eine etwaige Unaufklärbarkeit des Steuertatbestands zulasten des Stpfl. und nicht zu seinen Gunsten geht. Die Steuerbehörden werden damit nicht von ihrer Ermittlungspflicht entbunden, sie wird nur in gewisser Weise eingeschränkt. Die Steuerbehörden haben das Recht, die Initiative des Stpfl. abzuwarten. Der Stpfl. kann durch Anregungen und Bedenken die Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts und Klärung von Zweifelsfragen – dann von Amts wegen – tätig werden lassen.[3]

 

Rz. 6

Lässt sich der Sachverhalt nicht von Amts wegen aufklären, so kann vermutet werden, dass hinsichtlich der Fehlmenge eine Verbrauchsteuer entstanden ist. Der Grund für diese Regelung besteht darin, dass das Risiko eines auf der steuerbegünstigten Lagerhaltung beruhenden Steuerausfalls vom Stpfl. und nicht von der Allgemeinheit getragen werden soll, weil die Fehlmenge der Einflusssphäre des Stpfl. zuzurechnen ist.[4] Im Steuerstrafverfahren bleibt der Grundsatz "in dubio pro reo" von der steuerrechtlichen Vermutung der Entstehung der Steuerschuld unberührt.[5]

 

Rz. 7

Die Vorschrift des § 161 AO bezweckt damit auch, dass der Stpfl. zu einer sorgfältigen Betriebs- und Buchführung angehalten und dadurch Steuerverkürzungen entgegengewirkt werden soll.

 

Rz. 8

§ 161 AO stellt keinen selbstständigen Entstehungstatbestand dar.[6] Es müssen gem. § 38 AO alle eine Steuerschuld auslösenden Tatbestandsmerkmale nach dem einschlägigen Verbrauchsteuergesetz erfüllt sein. Dies muss aber nicht von der Behörde ermittelt und festgestellt werden, sondern es wird nach dem Gesetz vermutet, dass im Fall der nicht aufgeklärten Fehlmenge ein gesetzlicher Entstehungstatbestand verwirklicht worden ist.

[1] Vgl. § 50 AO.
[2] So Friedrich, DB 1992, 2000, 2002; Beermann, DStZ 1993, 257; a. A. für die Fälle des Abfindungsbranntweins im Rahmen des § 136 Abs. 2 S. 1 BranntwMonG Schröer-Schallenberg, ZfZ 1995, 162, 167.
[3] FG Rheinland-Pfalz v. 23.5.1977, III 313/76, EFG 1977, 510, 511.
[6] BFH v. 21.5.1999, VII R 25/97, BFH/NV 1999, 1568, 1572; BFH v. 12.10.1960, VII 11/60 U, BStBl III 1961, 9, 11; a. A. zu § 169 RAO noch OLG Hamm v. 13.1.1961, I Ss 767/69, ZfZ 1961, 89; vgl. auch Dewitz, ZfZ 1984, 205, 206; Bender, ZfZ 1964, 225.

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