Rz. 41

Der Umfang der Ermittlungspflicht richtet sich wiederum zunächst nach dem Inhalt der völkerrechtlichen Vereinbarung. Die meisten Abkommen enthalten Einschränkungen, die dem Art. 26 Abs. 2 OECD-Musterabkommen DBA 2014 (oder früher: 1977, 1992, 2000, 2005, 2010) entstammen.[1]

[1] Vgl. Rz. 24.

6.1.2.1 Deutsche Gesetze und Verwaltungspraxis

 

Rz. 42

Die ersuchte Finanzbehörde braucht keine Verwaltungsmaßnahmen durchzuführen, die von den Gesetzen ihres Staates bzw. ihrer Verwaltungspraxis abweichen, insbesondere ist sie nicht zur Übermittlung von Angaben verpflichtet, die sie nach den Gesetzen ihres Staates oder im üblichen Verwaltungsverfahren nicht beschaffen kann (z. B. bei der Ausübung von Auskunftsverweigerungsrechten befragter Personen). Die deutsche Finanzbehörde muss sich also im Rahmen der deutschen Gesetze[1] bewegen. Was sie nach deutschem Recht für ihre eigenen Angelegenheiten nicht darf, darf die deutsche Finanzbehörde auch nicht zur Erledigung eines Ersuchens zur zwischenstaatlichen Amtshilfe. Dieser Gedanke kommt auch durch § 117 Abs. 4 S. 1 u. 2 AO mittelbar zum Ausdruck.[2] So sind Angaben über Vergleichsbetriebe nicht zulässig, wenn auf die Identität des Betroffenen geschlossen werden kann.[3] Sie braucht aber nicht einmal alle gesetzlich vorhandenen Ermittlungsmöglichkeiten auszunutzen, wenn dies nicht ihrer üblichen Verwaltungspraxis entspricht. Die Finanzbehörde soll nicht über das hinausgehen müssen, was sie zur Durchführung der deutschen Besteuerung üblicherweise tut. Besteht etwa eine Selbstbindung der Verwaltung für die innerstaatliche Besteuerung, so kann die Finanzbehörde sich auch beim Vorliegen eines ausländischen Amtshilfeersuchens an diese Bindung halten.[4] Im Übrigen ist umstritten, welche Verfahren "üblich" i. S. d. genannten Beschränkungen sind. Das Steuerermittlungsverfahren und die normale, turnusmäßige Außenprüfung[5] sind übliche Verwaltungsverfahren, ein Steuerfahndungsverfahren ist sicher nicht üblich. Einzelanfragen an Dritte, die die deutschen Finanzbehörden allein für eigene Besteuerungszwecke nicht stellen würden, sind jedoch übliche Verwaltungsverfahren. Bei eigenem Bedarf würde die deutsche Finanzbehörde üblicherweise auch diesen Weg wählen.[6]

[1] Vgl. entsprechend § 112 Abs. 2 AO.
[2] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117 AO Rz. 135.
[3] Vgl. dazu § 30 Rz. 35c.
[4] Vgl. z. B. die Regeln zur Durchführung und Beschränkung der Betriebsprüfung durch die BpO.
[5] Vgl. aber Rz. 44.
[6] Debatin, DB 1977, 2119; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117 AO Rz. 135.

6.1.2.2 Gesetze und Verwaltungspraxis des ersuchenden Staates

 

Rz. 43

Umgekehrt braucht die deutsche Finanzbehörde nach den Klauseln entsprechend Art. 26 Abs. 3 OECD-Musterabkommen DBA 2014 auch keine Verwaltungsmaßnahmen durchzuführen, die von den Gesetzen oder der Verwaltungspraxis des anderen Staates abweichen bzw. Informationen zu erteilen, die nach den Gesetzen oder im üblichen Verwaltungsverfahren des die Auskunft empfangenden Staates nicht beschafft werden könnten. Neben der Grenze der eigenen Gesetze und Verwaltungspraxis ist die Amtshilfe auch durch die Gesetze und die Verwaltungspraxis des empfangenden Staates beschränkt. Dies dient der Gegenseitigkeit und der Gleichbehandlung. Der ersuchende Staat soll nicht mehr erfragen und erhalten können, als er nach seinen Gesetzen und seiner Verwaltungspraxis in seinem Inland erhalten würde. Denn bei einem deutschen Auskunftsersuchen würde er sich auf seine Beschränkungen berufen. Wenn auch die Betriebsprüfung oder eine LSt-Außenprüfung ein übliches Verfahren der deutschen Finanzbehörden ist, so ist Voraussetzung für die Übermittlung der dadurch gewonnenen Informationen, dass auch im ersuchenden Staat dieses oder ein entsprechendes Prüfungsverfahren üblich ist.

6.1.2.3 Umfang von Ermittlungen

 

Rz. 44

Soweit die unter Rz. 42 und 43 angesprochenen Grenzen des Doppelbesteuerungs- und Amtshilfeabkommens es zulassen, hat die ersuchte deutsche Finanzbehörde die ihr gegebenen Erkenntnisse zu übermitteln. Hierbei wie in den Fällen, in denen sie besondere (übliche) Ermittlungen anstellen muss, hat die Finanzbehörde sich wie in einem eigenen Besteuerungsfall bzw. in einem inländischen Amtshilfefall[1] zu verhalten. Ist der deutsche Stpfl., über den die Auskünfte ermittelt und gegeben werden sollen, nur Dritter, da die Auskünfte für einen anderen Stpfl. im Ausland gegeben werden sollen, so kommt die Durchführung einer Außenprüfung nicht in Betracht; diese ist nur beim Stpfl. selbst für seinen Fall zulässig, wenn er Beteiligter an dem ausländischen Besteuerungsverfahren ist.[2] Diese Beschränkung gilt auch für die Ermittlungen im Rahmen einer ohnehin durchgeführten Außenprüfung, wenn dazu besondere Ermittlungshandlungen erforderlich sind.[3] Die §§ 90ff. AO sind anwendbar. Das gilt auch für die Auskunftsverweigerungsrechte in §§ 101-103 und die übrigen Mitwirkungsverweigerungsrechte in §§ 104-106 AO. Die Entschädigungsverpflichtung des § 107 AO ist ebenfalls anwendbar. Sehr zweifelhaft erscheint es, ob die ersuchte deutsche Finanzbehörde ausschließlich für die Amtshilfe die erweiterte Mitwirkungspflicht des deutschen Stpfl. z....

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