Rz. 157

Ein wichtiger Aspekt des automatisierten Risikomanagements sind die grundlegenden Aussteuerungsparameter (vgl. Rz. 140). Dabei soll die computergestützte Fallauswahl nicht allein rechnerische, sondern auch logische Unstimmigkeiten aufdecken.[1] Dies birgt zugleich aber die Gefahr, dass die Aussteuerungskriterien zu einer "black box" aus Algorithmen werden, die weder anhand der Bindung an Recht und Gesetz[2] überprüfbar, noch die Effektivität des Rechtsschutzes[3] zu wahren geeignet sind.[4]

 

Rz. 158

Wenn ein Fall zur Bearbeitung durch einen Amtsträger ausgesteuert wurde, sind die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls gebotenen Ermittlungen und Prüfungen personell durchzuführen. Aussteuerungsgrund kann je nach Sachlage eine punktuelle oder auch eine umfassende Ermittlung und/oder Überprüfung sein.[5] In Betracht kommt etwa die Festlegung bestimmter, durch Kennzahlen in den Erklärungsvordrucken zu steuernder Prüfungsschwerpunkte, die zur personellen Bearbeitung bei im Übrigen vollautomatischer Veranlagung ausgesteuert werden.

 

Rz. 159

Dabei ist die individuelle Bearbeitung durch den zuständigen Amtsträger entsprechend der nach den konkreten Umständen des Einzelfalls geboten erscheinenden Ermittlungen und Prüfungen punktuell oder auch umfassend durchzuführen.[6] Nach dem hinter § 88 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 und Nr. 3 AO stehenden Rechtsgedanken darf weder vom RMS, noch durch verwaltungsinterne Vorgaben, der zuständige Amtsträger in seiner Entscheidung über den notwendigen Prüfungsumfang bevormundet werden. Individuelles Ermittlungsermessen darf ihm nicht abgeschnitten werden. Verwaltungsanweisungen oder Programmierungen, die dem Bearbeiter den individuellen Kontrollblick verwehren, wären gesetz- und zugleich verfassungswidrig.[7]

Rz. 160 einstweilen frei

 

Rz. 161

Eine personelle Prüfung ist insbesondere auch und notwendig in den Fällen vorzunehmen, in denen der Stpfl. Angaben in einem qualifizierten Freitextfeld i. S. d. § 150 Abs. 7 S. 1 AO macht.[8] Um diese grundlegende individuelle Prüfungsanforderung zu verdeutlichen, hat der Gesetzgeber in § 155 Abs. 4 S. 3 AO insoweit einen Anlass zur Aussteuerung dieser Fälle normiert.

Der Einsatz von RMS und die damit verbundenen bearbeiterfreien Logikprüfungen machen es erforderlich, bestimmte zusätzliche Sicherheiten in das Erklärungsverhalten zu integrieren. Auf Intervention der Justiz[9], die dem Stpfl. gewisse verfahrensrechtliche Beteiligungsmöglichkeiten bereits im Veranlagungsverfahren vor Erlass des Steuerbescheids zugestehen wollte, sieht § 150 Abs. 7 S. 1 AO deshalb vor, dass in diesen Fällen der Erklärungsvordruck ein qualifiziertes Freitextfeld enthalten muss, in dem der Stpfl. Angaben und Erklärungen, die aus seiner Sicht der personellen Überprüfung bedürfen, eintragen kann. Diese Freitextfelder tragen dem Umstand Rechnung, dass nicht alle theoretisch möglichen Sachverhalte und auch nicht alle denkbaren Rechtsfragen im Steuererklärungsvordruck abbildbar sind.[10] Das Freitextfeld soll es dem Stpfl. ermöglichen, in Fällen, die nach § 155 Abs. 4 S. 1 AO zu einer ausschließlich automationsgestützten Steuerfestsetzung führen können, Angaben zu machen, die nach der Auffassung des Stpfl. Anlass für eine personelle Bearbeitung sind.[11]

Zur Verwendung des Freitextfeldes ist der Stpfl. bzw. sein steuerlicher Berater verpflichtet, der bewusst von einer niedergelegten Verwaltungsauffassung oder herrschend vertretenden Rechtsauffassung abweicht.

Die Frage, welcher Rechtsauffassung ein Stpfl. zuneigt, ist strikt von der Frage zu trennen, welches die von ihm zu erklärenden rechtserheblichen Sachverhaltselemente sind. Die Beteiligten haben im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren alle für die Besteuerung erheblichen Tatsachen offenzulegen. Dabei besteht eine Offenbarungspflicht auch für Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist.[12] Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die von dem Stpfl. vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht.[13] Mit anderen Worten steht es dem Stpfl. frei, in die vordruckmäßig vorgegebenen Felder die seiner Rechtsauffassung entsprechenden Angaben zu machen. Weiß er aber oder nimmt er billigend in Kauf, dass hieraus eine von der Rechtsprechung oder der Verwaltungsauffassung abweichende Steuerfestsetzung folgen kann, hat er die nach Rechtsprechung oder Verwaltungsauffassung für die Veranlagung nötigen Angaben in den entsprechenden Freitextfeldern zu machen.

Ob hierdurch in der Praxis die vollautomatische Veranlagung unterbunden wird, ist Teil der technischen Steuerung des RMS. Unterbleibt in diesen Fällen eine Aussteuerung zur manuellen Prüfung, ist dies in der Folge aber dann nicht weiter vom Stpfl. zu vertreten. Das Unterlassen der Verifikation der Angaben des Stpfl. wegen nicht erfolgter Aussteuerung durch das RMS darf in di...

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