Rz. 136

Risikomanagementsysteme (RMS) sollen nach S. 1 des Abs. 5 dazu dienen, prüfungsbedürftige Steuererklärungen automatisiert zu erkennen und auszusteuern und durch die verbesserte Bearbeitungsqualität im Besteuerungsverfahren den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung[1] zur verbesserten Umsetzung zu verhelfen.[2]

 

Rz. 137

Der BRH hatte seinerzeit im Rahmen seiner Prüfungsergebnisse den Einsatz von RMS davon abhängig gemacht, dass das Steuerrecht grundlegend vereinfacht wird.[3] Allerdings ist diese Forderung eher als Appell an den Gesetzgeber zu verstehen, den Erkenntniswert aus RMS in Relation zur Komplexität des von diesem abzubildenden Steuerrechts zu sehen. Weiter ist erforderlich, dass die Einstufung eines Steuerfalls als risikoarm auf Grundlage aller Besteuerungsmerkmale erfolgen müsse, nicht allein betragsabhängig erfolgen dürfe und auf Grundlage einer Schlüssigkeitsprüfung aller erklärten Werte erfolgen müsse.

 

Rz. 138

Nach der Einschätzung des Gesetzgebers[4] besteht das RMS aus der systematischen Erfassung und Bewertung von Risikopotenzialen sowie der Steuerung von Reaktionen in Abhängigkeit von den festgestellten Risikopotenzialen. Ziel des Risikomanagements kann es dabei nicht sein, jedes abstrakte denkbare Risiko auszuschalten. Risikomanagement hat vielmehr das Ziel,

  • Steuerverkürzungen zu verhindern und damit präventiv zu wirken,
  • gezielt Betrugsfälle aufzudecken, zumindest aber die Chancen ihrer Aufdeckung deutlich zu erhöhen,
  • die individuelle Fallbearbeitung durch Amtsträger durch eine risikoorientierte Steuerung der Bearbeitung zu optimieren,
  • die Bearbeitungsqualität durch Standardisierung der Arbeitsabläufe bei umfassender Automationsunterstützung nachhaltig zu verbessern und
  • qualitativ hochwertige Rechtsanwendung durch bundeseinheitlich abgestimmte Vorgaben gleichmäßig zu gestalten; diese Vorgaben können auch regionale Besonderheiten berücksichtigen.

Die Erreichung dieser Zielvorgaben ist nicht messbar und eher als Wegweiser für die Ein- und Ausrichtung der RMS zu verstehen.

 

Rz. 139

Obgleich bei einer Reihe von im Rahmen des Veranlagungsverfahrens regelmäßig beizufügender Belege[5] die Belegvorlagepflicht in eine Belegvorhaltepflicht gewandelt worden ist, stellt sich weiter die Frage, ob eine vollautomatische Veranlagung in Fällen ausgeschlossen sein soll, in denen die Vorlage des Papierbelegs weiter tatbestandliche Voraussetzung für das Eintreten einer Rechtsfolge sein soll. Vorgesehen ist, dass elektronische Belege mit den Angaben in der elektronischen Steuererklärung verknüpft werden können, sodass das RMS wenn schon nicht den Inhalt des beigefügten Belegs, so doch jedenfalls den Umstand einbeziehen kann, ob ein solcher Beleg vorgelegen hat.

Sehr kritisch zu sehen ist es, außerhalb der elektronisch eingereichten Steuererklärung eingereichte unstrukturierte und papiergebundene Erläuterungen im Zuge des Veranlagungsvorganges nicht zu berücksichtigen. So bleiben diese Angaben im Rahmen der Risikoabschätzung unberücksichtigt und die Prüfung bleibt den Fällen überlassen, in denen der Zufall oder der Amtsträger selbst den Steuerfall zur personellen Bearbeitung aussteuert. Hieran knüpfen sich noch näher zu untersuchende Folgefragen an, etwa ob die auf diesem Wege "erklärten" Besteuerungsmerkmale als Tathandlung i. S. d. § 370 AO infrage kommen, wenn der Stpfl. bewusst damit rechnete, dass auf diesem Wege die Einbeziehung in die Steuerfestsetzung nicht erfolgen würde. Zudem ist ungeklärt, im Ergebnis aber zu bejahen, dass der Inhalt dieser "Erklärungen" i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO als bekannt zu gelten hat und daher nicht für eine spätere Änderung herangezogen werden kann (Rz. 183).

Die Ausgestaltung des optimierten Amtsermittlungsprozesses kann nicht zulasten des Stpfl. gehen und zum Eintritt einer nur eingeschränkten Bestandskraft führen. Anderenfalls handelte es sich bei den Steuerbescheiden nach vollautomatischer Veranlagung um Verwaltungsakte zweiter Klasse.

 

Rz. 140

Teil der automatischen Risikobewertung wird die Klassifizierung des Steuerfalls nach Compliancegesichtspunkten sein. Gilt der Steuerfall hiernach als risikoarm, kann dies für den Turnus einer nach § 193 AO in Betracht kommenden Außenprüfung relevant sein. Zudem kommt eine Vorabanforderung der Steuererklärung nach § 149 Abs. 4 AO bei gewissen Verstößen gegen steuerliche Obliegenheiten in Betracht oder die Einordnung des Steuerfalls kann im Rahmen des Ermessens bei steuerlichen Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO berücksichtigt werden. Neben der Entscheidung, ob ein Steuerfall als risikobehaftet anzusehen ist, was im Regelfall aufgrund der Häufung von unzutreffenden Erklärungen von Besteuerungsmerkmalen beurteilt werden wird, wird die Erfüllung steuerlicher Pflichten im Übrigen in die Beurteilung einfließen. Hiernach mag eine Rolle spielen, ob nach einem Herabsetzungsantrag im Regelfall Nachzahlungen festzusetzen sind, ob steuerliche Erklärungsfristen eingehalten wurden und ob aus vergangenen Außenp...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge