§129 AO bei Einsatz des Risiko-Management-Systems

Das Finanzamt kann nach einem Urteil des FG Berlin-Brandenburg dem Steuerpflichtigen untergekommene Unrichtigkeiten nicht als eigene übernehmen, wenn bei der Veranlagung nur die Hinweise des Risiko-Management-Systems (RMS) abgearbeitet werden und die fragliche Unrichtigkeit nicht Gegenstand dieser Hinweise war.

Worum ging es in dem Fall? Der Kläger ist von Beruf Pilot und bezog von der D-GmbH inländischen und von der C ausländischen Arbeitslohn. Den ausländischen Arbeitslohn erklärte er in der 5. Betragszeile der Seite 1 der Anlage N-AUS. Der Erklärung war als Anlage unter anderem ein Dokument über in Irland erzielte Einkünfte beigefügt.

Ausländische Einkünfte nicht erfasst

Das elektronische Formular bildete bei der Einkommensteuerveranlagung für den von C bezogenen Lohn eine Summe bzw. Differenz von 0 EUR und übertrug diese in die entsprechende Kennziffer 139 der Anlage N. Einen Prüfhinweis gab das RMS bzgl. des ausländischen Arbeitslohns bei der Durchführung der Einkommensteuerveranlagung nicht aus.

In der Folge fiel dem Finanzamt auf, dass der ausländische Arbeitslohn nicht im Rahmen des Progressionsvorbehalts erfasst worden war, und es berichtigte den Bescheid. Es vertrat die Auffassung, es liege ein Fehler im Sinne des § 129 Satz 1 AO vor, wenn das Finanzamt im Rahmen des RMS die Angaben des Steuerpflichtigen ungeprüft übernehme.

Keine Berichtigung nach § 129 AO

Das FG hat entschieden, dass der Bescheid nicht nach § 129 AO berichtigt werden durfte. Nach § 129 Satz 1 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die dem Finanzamt beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Auch offenbare Unrichtigkeiten, die dem Steuerpflichtigen in seiner Erklärung oder in anderen von ihm einzureichenden Unterlagen unterlaufen, sind nach § 129 AO berücksichtigungsfähig, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt.

Das Finanzamt kann sich eine Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen bei der Erklärungserstellung beim teilautomatischen Bescheiderlass, bei dem nur die vom RMS als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte überprüft werden, nicht zu eigen machen, soweit der Besteuerungssachverhalt, dem die Unrichtigkeit anhaftet, vom RMS nicht ausgesteuert wird. Vorliegend gab es gerade keinen Prüfhinweis auf einen möglicherweise eingreifenden Progressionsvorbehalt für den ausländischen Arbeitslohn.

Übersehen der Lohnbescheinigung ist kein offenkundiger Fehler

Das Übersehen der irischen Lohnbescheinigung durch das Finanzamt ist auch kein offenkundiger Fehler. Aus dieser geht zwar hervor, dass es sich um dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfenden Lohn handelt, jedoch ist das Übersehen der Bescheinigung eindeutig kein Fehler des Klägers, den das Finanzamt hätte übernehmen können.

Oberflächliches Prüfen der Steuererklärung

Die Bearbeiterin hat vorliegend die miteingereichte Anlage, aus der die Einnahmen aus der Republik Irland ersichtlich waren, schlicht unberücksichtigt gelassen. Nach ihrer Aussage lag das daran, dass sie nur die Prüfhinweise abgearbeitet hat, die eingereichten Anlagen aber nicht angesehen hat.

Die Nichtberücksichtigung von Anlagen, die vorliegend zur Berücksichtigung der Einnahmen von C im Rahmen des Progressionsvorbehaltes gezwungen hätten, beruht insoweit auf dem schlichten Zurückziehen der Bearbeiterin auf die Prüfhinweise, die ihr das RMS in diesem Fall nicht gegeben hat. Dies ist aber kein mechanisches Versehen im Sinne des § 129 AO, sondern beruht schlicht in dem verwaltungstechnisch angeordneten durchaus oberflächlichen Prüfen von Steuererklärungen. Mit einem Vergreifen, Verschreiben oder versehentlichen Übersehen hat dies nichts zu tun.

FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.9.2023, 16 K 16015/23

Schlagworte zum Thema:  Lohnsteuerbescheinigung, Steuerbescheid