Entscheidungsstichwort (Thema)

Offenbare Unrichtigkeit einer elektronischen Steuererklärung. teilautomatischer Bescheiderlass. Übernahmefehler. Fehler im Bereich der Sachverhaltsermittlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Finanzbehörde kann sich eine Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung in den Fällen des teilautomatischen Bescheiderlasses, in denen der Bearbeiter unter Anwendung des Risikomanagementsystems nur die als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte überprüft, nicht zu eigen machen, soweit der Besteuerungssachverhalt, dem die Unrichtigkeit anhaftet (im Streitfall betreffend ausländischen Arbeitslohn), vom Risikomanagementsystem nicht ausgesteuert wird.

2. Das Übersehen bzw. die Nichtbeachtung der der Steuererklärung beigefügten ausländischen Verdienstbescheinigung, aus der eindeutig erkennbar war, dass es um ausländische Einkünfte ging, die in der Republik Irland erzielt worden waren, ist kein Fehler der Steuerpflichtigen, den das Finanzamt hätte übernehmen können.

3. Kein einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliches mechanisches Versehen, sondern ein Fehler im Bereich der Sachverhaltsermittlung liegt vor, wenn eine weitere Sachverhaltsermittlung unterbleibt, obwohl aufgrund der im Rahmen des Risikomanagementsystems ergangenen Prüf- und Risikohinweise sich eine weitere Prüfung des Falles hätte aufdrängen müssen.

 

Normenkette

AO §§ 129, 88

 

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.12.2022 wird dahingehend abgeändert, dass beim Progressionsvorbehalt die Einnahmen von C… in Höhe von … EUR nicht berücksichtigt werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Berichtigung eines Einkommensteuerbescheides nach § 129 AbgabenordnungAO –. Im Einspruchsverfahren war darüber hinaus auch die Frage streitig, ob das vom Kläger bezogene Insolvenzgeld auch insoweit dem Progressionsvorbehalt unterlag, als es auf den steuerfreien Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit zu den Beträgen zur privaten Krankenversicherung entfiel.

Die Kläger werden zusammen veranlagt. Der Kläger ist von Beruf Pilot und war in der Zeit vom … 2019 bis zum … 2019 bei der D… GmbH beschäftigt und bezog in dieser Zeit von der Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld, seine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) bescheinigte die Fluggesellschaft mit jeweils … EUR. Vom … 2019 bis zum … 2019 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Am … 2019 nahm er eine Beschäftigung bei der im Streitjahr in Irland ansässigen C… auf, für die er bis Ende 2019 tätig war. In der am 04.05.2020 in komprimierter Form beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung erklärten die Kläger Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers bei der D… GmbH i.H.v. … EUR (je Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) als Vorsorgeaufwendungen und für den Progressionsvorbehalt Arbeitslosengeld und Insolvenzgeld des Klägers i.H.v. … EUR und … EUR. Den ausländischen Arbeitslohn von C… erklärte der Kläger in der Anlage AUS mit … EUR. Da die Kläger den von C… bezogenen Arbeitslohn in die 5. Betragszeile der Seite 1 der Anlage N-AUS eingetragen hatten, bildete das elektronische Formular für den von C… bezogenen Lohn eine Summe bzw. Differenz von Null Euro und übertrug diese in die entsprechende Kennziffer 139 der Anlage N (vgl. auch Zeile 41 der Seite 7 des Elsterausdrucks). Die betreffende Zeile ist zwar überschrieben mit „abzgl. darin enthaltener nach ausländischem Recht steuerpflichtiger und nach dt. Recht steuerfreier Arbeitslohn”, und nach dieser Beschreibung wäre der Arbeitslohn des Klägers auch zutreffend dort einzutragen. Gemeint ist mit dieser Zeile aber nach dem Verständnis des Beklagten tatsächlich Arbeitslohn, der nicht nach einem DBA oder nach dem ATE steuerfrei zu stellen ist.

Seite 7 des Elsterausdrucks sieht wie folgt aus:

Der Erklärung war als Anlage unter anderem ein „employment detail summary 2019” über in Irland erzielte Einkünfte beigefügt. Dieses sah wie folgt aus:

In der Anlage N machte der Kläger ferner verschiedene Werbungskosten geltend, die das Finanzamt nicht zum Abzug zuließ. Die Lohnersatzleistungen wie auch die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigte der Beklagte wie erklärt. Auch den ausländischen Arbeitslohn setzte es mit Null Euro an, weil das maschinelle Risikomanagementsystem (RMS) keinen Prüfhinweis ausgab. Demgemäß setzte der Beklagte mit Bescheid vom 20.05.2020 die Einkommensteuer 2019 auf … EUR fest. In den Erläuterungen des Bescheides hieß es, dass Werbungskosten...

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