Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Umsatzsteuervoranmeldungen und Säumniszuschläge bei späterer Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens und Verstoß gegen den Grundsatz der anteiligen Tilgung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird hinsichtlich einer Umsatzsteuervorauszahlung der GmbH nach Fälligkeit ein Stundungsantrag gestellt und vom FA unter Bewilligung einer Nachfrist zur Zahlung abgelehnt, so kann auch eine steuerlich nicht vorgebildete Geschäftsführerin einer GmbH nicht davon ausgehen, nunmehr die Umsatzsteuervorauszahlungsschuld nicht mehr bedienen zu müssen. Hat sie nicht spätestens anlässlich der erst nach Fälligkeit und unter gleichzeitiger Ablehnung der Stundung gewährten Nachfrist steuerlichen Rat eingeholt, ist ihr das als grobe Fahrlässigkeit haftungsbegründend vorzuwerfen.

2. Säumniszuschläge zu vor Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsberechtigung des GmbH-Geschäftsführers fälligen Umsatzsteuervoranmeldungen zählen zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, für die ggf. nach § 69 Satz 1 AO gehaftet wird; die erweiterte Haftung nach § 69 Satz 2 AO betrifft demgegenüber die Säumniszuschläge, die infolge einer steuerlichen Pflichtverletzung entstehen, ohne dass hinsichtlich ihrer Nichtentrichtung eine Pflichtverletzung des Haftungsschuldners vorliegt.

3. Der Geschäftsführer darf bei Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens auch wichtige, die Aufrechterhaltung des Betriebes betreffende Verbindlichkeiten (z.B. Arbeitnehmerlöhne, Lieferantenverbindlichkeiten) nicht ohne Pflichtverletzung vorrangig gegenüber dem Fiskus bedienen. Er darf sich auch nicht durch Vorausabtretung von Kundenforderungen an Lieferanten aufgrund verlängerter Eigentumsvorbehalte außerstande setzen, die geschuldete Umsatzsteuer entsprechend den sonstigen Forderungen anteilig abzuführen (Ausführungen zum Grundsatz der anteiligen Tilgung, u.a. zur Beweislast, zur Berechnung und zur Schätzung der für die Haftung maßgeblichen Beträge, zum Haftungszeitraum bei Verstoß gegen den Grundsatz der anteiligen Tilgung und Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens).

4. Der von der Geschäftsführerin als Haftungsschuldnerin behauptete nachträgliche Ausfall von in den haftungsgegenständlichen Voranmeldungszeiträumen angemeldeten Forderungen lässt den Steuerschaden unberührt. Der spätere Ausfall solcher Forderungen kann lediglich zu einer Berichtigung in dem Besteuerungszeitraum führen, in dem die Änderung eingetreten ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 UStG). Nur wenn eine Berichtigung der Umsatzsteuervoranmeldung und die entsprechende wirksame Aufrechnung mit den Abgabenschulden noch vor Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen den Haftungsbescheid erfolgen, ist der Ausfall der umsatzsteuerpflichtigen Forderungen im Haftungsverfahren zu berücksichtigen. Führen Berichtigung und Aufrechnung erst später zum (teilweisen) Erlöschen der haftungsgegenständlichen Steuerschuld, ist wegen der Akzessorietät der Haftung eine Korrektur des Haftungsbescheides in einem gesonderten Verfahren nach § 130 AO vorzunehmen.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1 S. 1, § 69 Sätze 1-2, § 34 Abs. 1 S. 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4, § 240 Abs. 1 Sätze 1, 3, 5, § 220 Abs. 2, § 130; UStG § 17 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 Nr. 1; GesO §§ 19, 17 Abs. 3

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 82 v.H. und der Beklagte zu 18 v.H.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistandes für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin für Umsatzsteuer 11/96 und 01/97 sowie Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 11/96 und 01/97 der Malermeister L. GmbH in Höhe von 21.899,63 DM.

Die Klägerin war seit Gründung der Malermeister L. GmbH mit Gesellschaftsvertrag vom 20.10.1995, eingetragen im Handelsregister am 14.02.1996, Alleingeschäftsführerin. Der Malermeister L. GmbH wurde ab Juli 1996 eine Dauerfristverlängerung nach § 18 Abs. 6 Umsatzsteuergesetz – UStG – i. V. m. § 46 ff. Umsatzsteuer-DurchführungsverordnungUStDV – gewährt.

Mit am 21.01.1997 beim damals örtlich zuständigen Finanzamt S. eingegangener Umsatzsteuervoranmeldung November 1996 meldete die Klägerin für die Gesellschaft eine Zahllast in Höhe von 74.422,70 DM an. Ebenfalls am 21.01.1997 hatte die Klägerin eine Stundung der Umsatzsteuer November 1996 beantragt. Für Dezember 1996 erfolgte am 24.01.1997 eine Umsatzsteuervoranmeldung mit einen Vorsteuerüberschuss in Höhe von 18.312,90 DM, den das Finanzamt S. am 30.01.1997 an die Malermeister L. GmbH auszahlte. Am 27.01.1997 überwies die Malermeister L. GmbH eine Sondervorauszahlung 1997 in Höhe von 7.967 DM. Am 28.02.1997 reichte die Klägerin eine berichtigte Anmeldung für Dezember 1...

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