Entscheidungsstichwort (Thema)

Die fehlende Ermittelbarkeit der tatsächlichen Wohnanschrift des Klägers führt zur Unzulässigkeit einer Klage

 

Leitsatz (amtlich)

Die unterbliebene Mitteilung über den Wohnortwechsel des Klägers führt jedenfalls dann zur Unzulässigkeit der eingereichten Klage, wenn die neue Wohnanschrift durch das Gericht nicht anderweitig ermittelbar ist. Denn die Angabe der ladungsfähigen Anschrift in der Klagschrift ermöglicht nicht nur die zweifelsfreie Identifizierung des Klägers, sondern dient auch der ordnungsgemäßen und sachgerechten Prozessführung (z.B. Anordnung des persönlichen Erscheinens), ist über die Angabe des tatsächlichen Wohnorts Gegenstand des Rubrums mit Auswirkung auf die Vollstreckungsfähigkeit des Titels und gehört daher zu den zulässigkeitsbegründenden Sachurteilsvoraussetzungen einer Klage.

 

Normenkette

FGO § 65 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen.

Vom 25.07.1996 bis zum 30.11.1997 wurde beim Kläger – mit Unterbrechungen – eine Steuerfahndungsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1995 und 1996 durchgeführt. In Auswertung des Berichts über die Fahndungsprüfung vom 13.01.1998 erließ das zu dieser Zeit für den Kläger örtlich zuständige Finanzamt B. am 10.03.1998 Einkommensteuerbescheide für 1995 und 1996. Die Bekanntgabe dieser Bescheide erfolgte durch öffentliche Zustellung gemäß § 15 Abs. 1 a) Verwaltungszustellungsgesetz.

Des weiteren war am 25.07.1996 das Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen den Kläger eingeleitet worden. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft L. vom 11.06.1999 wurde jedoch von der Verfolgung der Tat gemäß § 154 Abs. 1 Strafprozessordnung abgesehen.

Am 09.08.1999 erließ das Finanzamt B. einen Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen, der dem Kläger mit einfachem Brief in der JVA W. bekanntgegeben wurde. Die Zinsen für hinterzogene Einkommensteuer wurden auf 1.840,– DM festgesetzt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 20.08 1999 Einspruch ein, der ohne Erfolg blieb. Mit Einspruchsentscheidung vom 20.07.2000 wies der Beklagte, der Besteuerungs- und Rechtsbehelfsverfahren zwischenzeitlich übernommen hatte, den Einspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen wendet sich die Klage vom 14.08.2000.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen.

Die Ladung des Klägers zu einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage konnte am 05.02.2002 nicht zugestellt werden. Als Grund der Nichtzustellung ist vermerkt, der Empfänger sei unbekannt verzogen. Die Ermittlung der Anschrift beim für die letztbekannte Adresse zuständigen Einwohnermeldeamt ergab, dass der Aufenthalt des Klägers dort nicht bekannt ist. Auch Anfragen nach einer neuen Adresse beim zuletzt zuständigen Postamt sowie beim Beklagten verliefen ergebnislos.

Im übrigen wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig, weil die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers fehlt.

Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) gehört zum notwendigen Inhalt einer zulässigen Klage auch die Bezeichnung der Beteiligten. Zwar sagt diese Vorschrift nicht, welche Angaben zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Klägers erforderlich sind, doch lässt sich aus anderen Vorschriften der Verfahrensordnung sowie der Bedeutung der Klage für das finanzgerichtliche Verfahren schließen, dass zur Bezeichnung des Klägers auch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift (des tatsächlichen Wohnorts) gehört (Urteil des BFH vom 28.01.1997, VII R 33/96, BFH/NV 1997,585).

Das finanzgerichtliche Verfahren wird vom Untersuchungsgrundsatz geprägt. Zur Vorbereitung einer Entscheidung obliegt dem Gericht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO die Pflicht, den Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären, wobei nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO auch die Beteiligten heranzuziehen sind. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift in der Klageschrift ist daher nicht nur für die zweifelsfreie Identifizierung des Klägers erforderlich, sondern dient auch einer ordnungsgemäßen und sachgerechten Prozeßführung. So kann das Gericht z.B. bei der Prüfung der Frage, ob das persönliche Erscheinen des Klägers nach § 80 Abs. 1 FGO angeordnet werden soll, sein Ermessen nur sachgerecht ausüben, wenn ihm der Aufenthalt des Klägers bekannt ist. Ferner ist der Wohnort nach § 105 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Rubrum der gerichtlichen Entscheidung anzugeben, die gemäß § 151 Abs. 2 FGO als Vollstreckungstitel Bedeutung erlangen kann. Somit dokumentiert der Kläger mit der Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift auch seine Bereitschaft, sich ggf. auch für ihn nachteiligen Folgen der Rechtsverfolgung (wie der Kostenpflicht im Falle des Unterliegens) zu stellen.

Schließlich dient die Angabe des tatsächlichen Wohnortes der Zustellung des mit dem Prozess verbundenen Schriftverkehrs. Die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 19.10.2000, IV R 25/00, BFHE 193, 52, wonach die Angabe der ladungsfähigen Anschrift ausnahmswe...

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