Rz. 49

Die Ausgestaltung der Grundsteuer als modifizierte Bodenwertsteuer birgt verfassungsrechtliche Risiken.

Eine allein am Bodenwert ausgerichtete Grundsteuer löst sich von der herkömmlichen Ausgestaltung der Grundsteuer, deren Bemessungsgrundlage sowohl den Grund und Boden als auch die Gebäude umfasst. Dies löst Bedenken aus, ob der Typusbegriff der Grundsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 6 GG noch erfüllt ist.[1] Da die Besteuerung nach diesem Modell weiterhin an das Innehaben von Grundbesitz als typusprägendes Element der Grundsteuer als Objektsteuer anknüpft und persönliche Verhältnisse außer Betracht bleiben, dürfte dies jedoch noch der Fall sein. Baden-Württemberg konnte sich infolgedessen für das modifizierte Bodenwertmodell auf die den Ländern eingeräumte Kompetenz aus Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7, 105 Abs. 2 GG stützen.

 

Rz. 50

Des Weiteren wird das modifizierte Bodenwertmodell unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes kritisch gesehen. Insbesondere die Ausnahme der wertrelevanten Gebäude von der grundsteuerlichen Bewertung verletze den Gleichheitssatz.[2] Dies könne auch nicht mit dem Lenkungszweck, Eigentümer von unbebauten Grundstücken zum Bauen zu motivieren, gerechtfertigt werden.[3] Die Verfolgung von außerfiskalischen Förder- und Lenkungszielen auf Bewertungsebene scheidet grundsätzlich aus.[4]

Nach Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen sollte die Bemessungsgrundlage eines zur Finanzierung von Gemeinden geeigneten Abgabeninstruments zwei Komponenten enthalten. Eine Wertkomponente, die Bodenwertänderungen möglichst gut widerspiegelt, und eine weitere Komponente, welche die Nutzung des Grundstücks durch Wohn- und Betriebsgebäude erfasst und so eine Anlastung der Grenzballungskosten bei Wohnbevölkerung und Betrieben erlaubt.[5] Insbesondere die bauliche Ausnutzung (Bebauung) eines Grundstücks steht im Zusammenhang mit der erforderlichen Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Eine Kommune mit vielen bebauten Grundstücken muss Aufgaben anderer Qualität erfüllen, als eine Kommune mit wenigen bebauten Grundstücken.[6]

 

Rz. 51

Da die modifizierte Bodenwertsteuer in der Gesetzesbegründung sowohl auf den Äquivalenz- als auch den Leistungsfähigkeitsgedanken gestützt wird, fehlt ein klares Bekenntnis für den Belastungsgrund.[7]

Gleichwohl dürfte diese "Zweigleisigkeit" verfassungsrechtlich unschädlich sein, wenn die Belastungsgründe, wie im baden-württembergischen Bodenwertmodell, im gleichen Bewertungsziel münden.[8] Der Bodenwert als Verkehrswert des – fiktiv – unbebauten Grundstücks spiegelt i. S. d. Sollertragsteuer-Gedankens einerseits die durch den Grund und Boden vermittelte Leistungsfähigkeit und anderseits den durch den Grund und Boden vermittelten potenziellen Nutzen aus den kommunalen Leistungen wider.[9]

 

Rz. 52

Mit dem Bodenwertmodell wird durch den Verzicht auf die Erfassung der Gebäude im Vergleich zu den bundesgesetzlichen Regelungen eine weitergehende Vereinfachung der Bewertung im Bereich des Grundvermögens erreicht. Zu beachten ist allerdings, dass für den Ansatz einer ermäßigten Steuermesszahl und im Rahmen der Gewährung von Steuerbefreiungen weiterhin die Gebäudenutzung maßgeblich ist. In diesen Fällen bleiben daher Angaben der Steuerpflichtigen zur Nutzung der Gebäude/Gebäudeteile einschließlich der Ermittlung des Verhältnisses von Wohn- und Nutzfläche unter Berücksichtigung der Wohnflächenverordnung und der DIN 277 erforderlich (Rz. 40). Angesichts dessen müssen mehr Daten bei den Steuerpflichtigen erhoben werden, als dies das Bodenwertmodell augenscheinlich suggeriert.[10] Darüber hinaus entstehen dem Land Baden-Württemberg zusätzliche Kosten durch eine eigenständige IT-Komponente, welche europaweit auszuschreiben ist. Für die internen und externen Kosten für die IT-Umsetzung einschließlich der Vorbereitung und Durchführung der Ausschreibung, der externen und internen Programmierung, der Qualitätssicherung, der Gewährleistung der IT-Sicherheit, dem Scannen eingehender Papiererklärungen, dem Druck und Versand sowie den Schulungen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden zunächst circa 41,4 Millionen EUR bis zum Jahr 2024 veranschlagt.[11] Eine weitere Herausforderung wird die Ertüchtigung des digitalen Bodenrichtwertinformationssystems. Die Gutachterausschüsse sind in Baden-Württemberg noch überwiegend kommunal strukturiert. Von den Ende 2019 bundesweit etwa 1.100 tätigen Gutachterausschüssen entfielen ca. 800 auf Baden-Württemberg.[12] Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde aktuell von ca. 600 Gutachterausschüssen ausgegangen.[13]

 

Rz. 53

Da bei der Bewertung der Grundstücke als wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens der Bodenrichtwert der Bodenrichtwertzone – ohne Berücksichtigung von Abweichungen zwischen den Grundstücksmerkmalen des zu bewertenden Grundstücks und des Bodenrichtwertgrundstücks – angesetzt wird (vgl. Rz. 30), ist nicht auszuschließen, dass sich im Einzelfall erhebliche Überbewertung...

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