Rz. 9

Im Rahmen der Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts wurde das Sachwertverfahren der Einheitsbewertung nach §§ 8390 BewG unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des Wertermittlungsrechts und der aktuellen Datenlage fortentwickelt. Das Sachwertverfahren nach den §§ 258260 BewG wurde in Anlehnung das Sachwertverfahren nach den §§ 2123 ImmoWertV 2010[1] geregelt (Rz. 1). Ergänzend ist auf die Sachwertrichtlinie (SW-RL) hinzuweisen.[2]

Infolgedessen wird der Kommentierung des in den §§ 258ff. BewG geregelten typisierten Sachwertverfahrens zur Ermittlung von Grundsteuerwerten (vgl. Rz. 19ff.) nachfolgend zunächst ein Exkurs über die Grundsätze zur Ermittlung des Verkehrswerts (Sachwerts) im Sachwertverfahren auf der Grundlage der anerkannten Vorschriften des Baugesetzbuchs vorangestellt. Da die Vorschriften zum Sachwertverfahren mit der ImmoWertV vom 14.7.2021[3] teilweise strukturell geändert wurden (z. B. durch die Einführung eines Regionalfaktors zur Berücksichtigung des Unterschieds zwischen dem bundesdurchschnittlichen und dem regionalen Baukostenniveau sowie die Berücksichtigung der Alterswertminderung durch einen Alterswertminderungsfaktor) erfolgen die nachstehenden Darstellungen auf der Grundlage der §§ 2123 ImmoWertV 2010. An diesen Vorschriften hat sich der Gesetzgeber im Rahmen des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019[4] bei der Ausgestaltung des Sachwertverfahrens nach den §§ 258260 BewG orientiert.[5] Ergänzend wird auf die Kommentierung des Sachwertverfahrens nach den §§ 2123 ImmoWertV 2010 im ErbStG-Kommentar Moench/Weinmann, zu § 12 ErbStG, Teil II. 2.3, Rz. 470ff., verwiesen.

[1] Die ImmoWertV v. 19.5.2010 (BGBl I 2010, 639) ist am 1.1.2022 außer Kraft getreten. Seit 1.1.2022 ist die ImmoWertV v. 14.7.2021 in Kraft (BGBl I 2021, 2805). Das Sachwertverfahren ist in §§ 35ff. ImmoWertV 2021 geregelt.
[2] Richtlinie zur Ermittlung des Sachwerts (Sachwertrichtlinie – SW-RL) v. 5.9.2012 zu den §§ 2123 ImmoWertV 2010, BAnz AT 18.10.2012, B 1.
[3] ImmoWertV v. 14.7.2021, BGBl I 2021, 2805.
[4] Grundsteuer-Reformgesetzes v. 26.11.2019, BGBl I 2019, 1749.
[5] S. Begründung zum Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes, zu § 258 Abs. 1 BewG, BT-Drs. 19/11085 v. 25.6.2019, 116.

2.1 Exkurs: Sachwertverfahren nach der ImmoWertV 2010

 

Rz. 10

Das Sachwertverfahren i. S. d. §§ 2123 ImmoWertV 2010 kann in der Verkehrswertermittlung insbesondere dann zur Anwendung kommen, wenn im gewöhnlichen Geschäftsverkehr – marktüblich – der Sachwert und nicht die Erzielung von Erträgen für die Preisbildung ausschlaggebend ist.[1] Noch tiefergehender formuliert kommt das Sachwertwertverfahren dann zur Anwendung, wenn die neuzeitlichen Ersatzbeschaffungskosten des Wertermittlungsobjekts nach den Gepflogenheiten des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs preisbestimmend sind.[2]

Dies ist insbesondere bei selbstgenutzten Ein- und Zweifamilienhäusern der Fall, bei denen nicht der erzielbare Ertrag, sondern ein besonderer persönlicher Nutzen im Vordergrund steht.

In Fachkreisen ist umstritten, ob und inwieweit das Sachwertverfahren – wie in der SW-RL ausgeführt – auch zur Überprüfung bzw. Würdigung anderer Verfahrensergebnisse i. S. d. § 8 Abs. 1 S. 3 ImmoWertV 2010 in Betracht kommen kann. Wenn die Objekte im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht unter Sachwertgesichtspunkten gehandelt werden, erscheint eine Überprüfung mittels des Sachwertes nicht marktgerecht. Der Sachwert kann jedoch in Einzelfällen ein Indiz hinsichtlich einer zutreffenden oder eben einer unzutreffenden Wertermittlung sein.

Nicht anzuwenden ist das Sachwertverfahren auf Wertermittlungsobjekte, die nicht mehr wirtschaftlich nutzbar sind[3], z. B. auf abbruchreife oder funktionslose bauliche Anlagen. Wirtschaftlich nutzbar sind nur solche baulichen und sonstigen Anlagen, die eine wirtschaftliche Restnutzungsdauer[4] aufweisen.[5]

 

Rz. 11

Ausgangspunkt für die Ermittlung des Sachwerts sind die gewöhnlichen Kosten, die unter Berücksichtigung der am Wertermittlungsstichtag vorliegenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Neuerrichtung einer entsprechenden baulichen Anlage aufzubringen wären. Insoweit geht das Sachwertverfahren nicht von Rekonstruktions- bzw. Reproduktionskosten, sondern von neuzeitlichen Ersatzbeschaffungskosten aus.[6]

Gleichwohl ist das in der ImmoWertV geregelte Sachwertverfahren nicht eine allein an Baukosten orientierte Rechenmethode, sondern eine marktkonforme, in die Zukunft gerichtete Verkehrswertermittlung. Abgesehen davon, dass bereits mit den Modellparametern wirtschaftliche Gesamt- und Restnutzungsdauer zur Bestimmung der Alterswertminderung Sichtweisen des Grundstücksmarktes berücksichtigt werden, wird die Marktanpassung des vorläufigen Sachwerts durch die Ermittlungsschritte

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