Rz. 1

Liegenschaftszinssätze haben im Rahmen der Ertragswertermittlung eine erhebliche Bedeutung. Mit den Liegenschaftszinssätzen wird die Ertragswertermittlung an die allgemeinen Wertverhältnisse am Grundstücksmarkt und damit an den Verkehrswert des Grundstücks angeglichen (Marktanpassung).[1]

Im Ertragswertverfahren nach den §§ 252257 BewG finden Liegenschaftszinssätze sowohl bei der Bestimmung des Vervielfältigers zur Kapitalisierung der jährlichen Reinerträge des Grundstücks (§ 253 BewG Rz. 12ff.) als auch bei der Ermittlung des Abzinsungsfaktors zur Abzinsung des Bodenwerts nach § 257 BewG Anwendung.

Der Liegenschaftszinssatz ist der Zinssatz, mit dem sich das im Verkehrswert des Grundstücks gebundene Kapital verzinst, wobei sich die Verzinsung – anders als bei Geldanlagen – nicht nach einem vereinbarten Zinssatz, sondern nach der aus der Liegenschaft (Grundstück) marktüblich erzielbaren Rendite (Erträge) im Verhältnis zum Verkehrswert der Liegenschaft bemisst.[2]

Die grundstücksartbezogenen Liegenschaftszinssätze werden nach § 193 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 21 Abs. 2 S. 2 ImmoWertV grundsätzlich von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte (§§ 192ff. BauGB) aus realen Grundstückstransaktionen abgeleitet. Hierdurch werden mit den Liegenschaftszinssätzen die Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich der Entwicklung der allgemeinen Ertrags- und Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt erfasst (§ 252 BewG Rz. 12).

Im typisierten Ertragswertverfahren nach §§ 252257 BewG werden die von den örtlichen Gutachterausschüssen für Grundstückswerte ermittelten und veröffentlichten Liegenschaftszinssätze aus Vereinfachungs- und Automationsgründen nicht unmittelbar herangezogen, sondern es werden grundstücksartbezogen durchschnittliche marktübliche Liegenschaftszinssätze gesetzlich vorgegeben.[3]

Es gilt der Grundsatz, je niedriger der Liegenschaftszinssatz ist, desto höher ist der Ertragswert (Rz. 12 und § 252 BewG Rz. 22).

[1] Kleiber, in Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 9. Auflage 2020, § 14 ImmoWertV 2010, Rz. 107, 1292.
[2] S. Kleiber, in Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 9. Auflage 2020, § 14 ImmoWertV 2010, Rz. 111, 1293, sowie § 7 Abs. 1 Nr. 2 ImmoWertV 2021.
[3] S. Begründung zum Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes, zu § 256 Abs. 1 BewG, BT-Drs. 19/11085 v. 25.6.2019, 115.

1.1 Regelungsgegenstand

 

Rz. 2

In § 256 BewG werden die Liegenschaftszinssätze definiert und die bei der Ermittlung des Grundsteuerwerts im Ertragswertverfahren anzusetzenden Liegenschaftszinssätze bestimmt.

Die Definition der Liegenschaftszinssätze in Abs. 1 S. 1 der Vorschrift erfolgte unter Rückgriff auf die in der Verkehrswertermittlung auf der Grundlage des Baugesetzbuchs geltenden Begriffsbestimmungen zu den Liegenschaftszinssätzen.[1]

In Abs. 1 S. 2 der Vorschrift werden die bei der Bewertung der im Ertragswertverfahren zu bewertenden Wohngrundstücke (Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum) anzusetzenden Liegenschaftszinssätze bestimmt. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Wohnungseigentum sind die Liegenschaftszinssätze in Abhängigkeit eines bestimmten Bodenrichtwertniveaus nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 der Vorschrift weiter abzustufen.

 

Rz. 3

einstweilen frei

[1] S. § 21 Abs. 2 S. 1 ImmoWertV und vormals § 14 Abs. 3 S. 1 ImmoWertV 2010.

1.2 Rechtsentwicklung

 

Rz. 4

§ 256 BewG wurde mit dem Grundsteuer-Reformgesetz vom 26.11.2019[1] in das Bewertungsgesetz eingeführt und seither nicht geändert.

 

Rz. 5

Nach seiner systematischen Stellung innerhalb des Unterabschnitts C des Siebenten Abschnitts des Zweiten Teil des Bewertungsgesetzes zum Grundvermögen erstreckt sich der sachliche Geltungsbereich des § 256 BewG ausschließlich auf das inländische Grundvermögen (§§ 231, 243, 244 BewG), einschließlich der nach § 218 S. 3 i. V. m. § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG dem Grundvermögen zugeordneten und wie Grundvermögen zu bewertenden Betriebsgrundstücke. Innerhalb des Bereichs des Grundvermögens findet § 256 BewG gem. § 250 Abs. 2 BewG auf die Bewertung der sog. Wohngrundstücke (Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum) im Ertragswertverfahren nach den §§ 252257 BewG Anwendung.

§ 256 BewG ist gem. § 266 Abs. 1 BewG erstmals für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 anzuwenden.

 

Rz. 6

einstweilen frei

[1] Grundsteuer-Reformgesetz v. 26.11.2019, BGBl I 2019, 1794.

1.3 Regelungszusammenhänge

 

Rz. 7

Nach § 252 S. 1 BewG ermittelt sich der Grundsteuerwert im Ertragswertverfahren nach den §§ 252–257 BewG aus der Summe des kapitalisierten Reinertrags (Barwert des Reinertrags) nach § 253 BewG und des abgezinsten Bodenwerts nach § 257 BewG (§ 252 BewG Rz. 29).

Die Kapitalisierung des jährlichen Reinertrags des Grundstücks erfolgt gem. § 253 Abs. 2 S. 1 BewG durch Anwendung eines Vervielfältigers nach der Anlage 37 zum BewG, der sich nach der jeweiligen Restnutzungsdauer des Gebäudes und dem grundstücksartbezogenen Liegenschaftszinssatz nach § 256 BewG bestimmt.

Der Bodenwert ist nach § 257 Abs. 2 S. 1 BewG grundsätzlich mit dem sich aus der Anlage 41 zum ...

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