Rz. 10

In § 9 Abs. 1 GrStG wird das Stichtagsprinzip für die Grundsteuer normiert. Hiernach richtet sich die Festsetzung der Grundsteuer ausschließlich nach den Verhältnissen zu Beginn eines Kj. Es ist gedanklich "quasi ein Foto" von den – tatsächlichen – Verhältnissen zu Beginn des Kj. zu machen.

Die Grundsteuer wird jährlich nach den Verhältnissen vom Veranlagungszeitpunkt festgesetzt. Dies ist jeweils der Beginn eines Kj., auf den eine Haupt-, Neu- oder Nachveranlagung des Steuermessbetrages i. S. d. §§ 16 bis 18 GrStG durchzuführen ist.[1] Das Stichtagsprinzip im Grundsteuerrecht korrespondiert hierbei grundsätzlich mit dem bewertungsrechtlichen Stichtagsprinzip zur Feststellung und Fortschreibung von Grundsteuerwerten (§§ 221ff. BewG), das ebenfalls auf die Verhältnisse zu Beginn eines Kj. abstellt. Bei einer Hauptveranlagung des Steuermessbetrags wird der Grundsteuerwert vom Hauptveranlagungszeitpunkt, bei einer Neuveranlagung des Steuermessbetrags der Grundsteuerwert vom Neuveranlagungszeitpunkt und bei einer Nachveranlagung des Steuermessbetrags der Grundsteuerwert vom Nachveranlagungszeitpunkt zugrunde gelegt. Insoweit erfolgen die Feststellungen der Grundsteuerwerte und die darauf aufbauenden Veranlagungen der Steuermessbeträge i. S. d. Stichtagsprinzips nach § 9 Abs. 1 GrStG grundsätzlich auf denselben Zeitpunkt. Abweichend von diesem Grundsatz ordnet § 36 Abs. 1 GrStG für die Hauptveranlagung 2025 allerdings an, dass die auf der Hauptfeststellung der neuen Grundsteuerwerte aufbauende Hauptveranlagung der Grundsteuermessbeträge nicht zeitgleich auf den 1.1.2022, sondern auf den 1.1.2025 durchgeführt wird (§ 36 GrStG Rz. 9ff.).

 

Rz. 11

Aufgrund des Stichtagsprinzips nach § 9 Abs. 1 GrStG (Rz. 10) können sich Änderungen während eines Kj., z. B. hinsichtlich des Umfangs der Steuerfreiheit, erst für die Grundsteuer des nächsten Kj. auswirken. Selbst die im Laufe des 1. Januar eines Kj. eintretenden Änderungen können grundsätzlich erst für die Grundsteuer zu Beginn des nächsten Kj. berücksichtigt werden.

Seinen Ausdruck findet das Stichtagsprinzip auch bei der Zurechnung eines Grundstücks und der damit verbundenen Steuerschuldnerschaft bei der Grundsteuer. Schuldner der Grundsteuer ist gem. § 10 Abs. 1 GrStG derjenige, dem der Steuergegenstand (§ 2 GrStG) bei der Feststellung des Grundsteuerwerts zuzurechnen ist. Dies ist gem. § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich der bürgerlich-rechtliche Eigentümer. Übt ein anderer als der bürgerlich-rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, ist ihm das Wirtschaftsgut ausnahmsweise gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO als sog. wirtschaftlicher Eigentümer zuzurechnen. Im Falle eines Grundstückserwerbs wird das wirtschaftliche Eigentum nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung in dem Zeitpunkt erlangt, in dem Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten (Lastenwechsel) auf den Käufer übergehen.[2] Der Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrags oder der Eintragung im Grundbuch ist insoweit unerheblich. Für Zwecke der Grundsteuer ist das Grundstück gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO bereits dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen.[3] Unter der Prämisse des Stichtagsprinzips erfolgt die Zurechnung bei einem Eigentümerwechsel innerhalb eines Kj. i. S. d. § 222 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BewG jedoch erst auf den Beginn des Kj., das auf den Eigentümerwechsel folgt. Infolgedessen bleibt derjenige, dem das Grundstück zu Beginn des Kj. des Eigentümerwechsels zuzurechnen war, weiterhin Steuerschuldner für das gesamte Kj. Dies gilt bei einem Erwerb im Rahmen einer Zwangsversteigerung entsprechend.[4]

 
Praxis-Beispiel

A veräußert sein Grundstück mit Kaufvertrag vom 10.10.2022 an B. Die Vertragsparteien vereinbaren im Kaufvertrag einen Lastenwechsel ab dem 1.12.2022. Die Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch erfolgt erst Mitte des Kj. 2023.

Das Grundstück wird dem B infolge des Lastenwechsels ab dem 1.12.2022 auf den Beginn des Kj. 2023 zugerechnet. A bleibt infolgedessen Steuerschuldner der Grundsteuer für das gesamte Kj. 2022. Ab dem Kj. 2023 schuldet B die Grundsteuer.

Abwandlung des Beispiels:

A veräußert sein Grundstück – unverändert – mit Kaufvertrag vom 10.10.2022 an B. Die Vertragsparteien vereinbaren im Kaufvertrag – nunmehr abweichend – einen Lastenwechsel ab dem 15.1.2023.

Da in diesem Fall das wirtschaftliche Eigentum i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO erst im Laufe des Kj. 2023 übertragen wird (Lastenwechsel am 15.1.2023) wird das Grundstück dem B erst auf den Beginn des Kj. 2024 zugerechnet. Infolgedessen bleibt A Steuerschuldner der Grundsteuer für die gesamten Kj. 2022 und 2023. B schuldet die Grundsteuer erst ab dem Kj. 2024.

 
Hinweis

Die Vertragsparteien können den Zeitpunkt, in dem Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Käufer übergehen soll (Lastenwechsel), im Kaufvertrag frei verei...

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