§ 23 Abs. 20 Satz 1 GrEStG ordnet die Weitergeltung des bisherigen Rechts für die Fälle an, die das neue Recht nicht erfasst. Die Fortgeltung des bisherigen Rechts darf aber nur subsidiär zur Anwendung kommen. Deshalb schränkt § 23 Abs. 20 Satz 2 GrEStG die Weitergeltungsanordnung für die dort geregelten Fälle ein. Das bedeutet im einzelnen Folgendes:

  • Ändert sich bis zum 30.6.2021 der Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von 5 Jahren um mindestens 90 %, aber weniger als 95 %, löste dieser Vorgang einen Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG a.  F. nicht aus. Kommt es nach dem 30.6.2021 zu mindestens einem weiteren Übergang im Gesellschafterbestand, würde dies den Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG nicht erfüllen, weil das steuerauslösende Quantum i. H. v. 90 % bereits vorher erreicht war.
  • Demgegenüber wäre ein weiterer Übergang von Anteilen am Gesellschaftsvermögen steuerbar, wenn nach altem Recht weniger als 90 % (z. B. 89,9 %) der Anteile i. S. d. § 1 Abs. 2a GrEStG a. F. übergegangen wären und innerhalb des 10-jährigen Zeitraums eine Bestandsveränderung von mindestens 90 % eingetreten wäre.
 
Wichtig

Übergangszeitraum von 5 Jahren beachten[1]

Die Absenkung der Beteiligungsgrenze löst Ungleichheiten aus. Denn die mit dem Ziel der Missbrauchsverhinderung umgesetzte Gesetzesänderung erfasst diejenigen Fallkonstellationen nicht, die nach bisheriger Rechtslage (noch) keinen Erwerbstatbestand ausgelöst haben, weil zwar die 90 %-Grenze erreicht, die 95 %-Grenze aber noch nicht überschritten worden war.

Unter Gleichheitsgesichtspunkten müssen aber auch diejenigen Fälle erfasst werden, bei denen durch eine Anteilsänderung auch nach bisheriger Rechtslage ein Erwerbstatbestand ausgelöst worden wäre. Dieses Ziel wird erreicht, wenn die bisherige Rechtslage (95 %-Grenze, Betrachtungszeitraum von 5 Jahren) für diejenigen Fälle weiter anzuwenden ist, bei denen es – trotz der Veränderungen im Gesellschafterbestand –, ursächlich durch die gesetzliche Absenkung der Beteiligungsgrenze, nicht mehr zu einer Besteuerung kommen würde. Nach 5 Jahren entfällt diese Übergangsregelung.[2]

Für den Übergangszeitraum von 5 Jahren hat das neue Recht stets Vorrang vor dem alten Recht (zeitliche Subsidiarität). Die zeitliche Subsidiarität hat Vorrang vor der in § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG geregelten sachlichen Subsidiarität.[3]

Die Fortgeltung des alten Rechts ist mithin dann ausgeschlossen, wenn der Rechtsvorgang einen anderen Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 1, 2, 2a, 3 oder 3a GrEStG nach neuem Recht auslösen würde.[4]

Die Fortgeltung des alten Rechts ist ferner ausgeschlossen, wenn ein vorausgegangener Rechtsvorgang bereits gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG nach neuem Recht steuerbar war.[5]

 
Praxis-Beispiel

Rückausnahme des § 23 Abs. 20 Satz 2 Alt. 2 GrEStG nicht erfüllt

Am Vermögen der grundbesitzenden KG ist A zu 94,9 % und B zu 5,1 % beteiligt. Zum 1.1.2020 überträgt A seine Beteiligung auf C. Zum 31.12.2021 überträgt B seine Beteiligung auf D.

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist nicht erfüllt. Das steuerauslösende Quantum in Höhe von 90 % wird durch die Änderung im Gesellschafterbestand in Höhe von 5,1 % nicht erreicht, weil es bereits mit Ablauf des 30.6.2021 erreicht war.

§ 1 Abs. 2a GrEStG a. F. ist bis zum 30.6.2026 weiter anzuwenden.[6] § 1 Abs. 2a GrEStG a. F. ist erfüllt, weil innerhalb von 5 Jahren mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der KG (2020: 94,9 % + 2021: 5,1 %) auf die Neugesellschafter C und D übergegangen sind. Die Voraussetzungen für die Rückausnahmen nach § 23 Abs. 20 Satz 2 Alt. 2 GrEStG sind nicht erfüllt, weil kein steuerbarer Rechtsvorgang „nach neuem Recht“ vorausgegangen ist.

 
Praxis-Beispiel

Rückausnahme des § 23 Abs. 20 Satz 2 Alt. 1 GrEStG findet Anwendung

Am Vermögen der grundbesitzenden KG ist A zu 94,9 % und B zu 5,1 % beteiligt. Zum 1.1.2020 überträgt A 89,9 % der Anteile am Vermögen der KG auf C. Zum 31.12.2021 überträgt B seine Beteiligung an D.

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist erfüllt, da innerhalb von 10 Jahren mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen (2020: 89,9 % + Dezember 2021: 5,1 %) auf die Neugesellschafter C und D übergegangen sind.[7] Gleichzeitig wäre über § 23 Abs. 20 Satz 1 GrEStG der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG a. F. erfüllt, da innerhalb von 5 Jahren mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen (2020: 89,9 % + Dezember 2021: 5,1 %) auf die Neugesellschafter C und D übergegangen sind. Für diesen Fall hat das neue Recht Vorrang vor dem alten Recht.[8]

 
Praxis-Beispiel

Rückausnahme des § 23 Abs. 20 Satz 2 Alt. 2 GrEStG findet Anwendung

Am Vermögen der grundbesitzenden KG ist A zu 89 %, B zu 2 %, C zu 4 % und D zu 5 % beteiligt. Im Jahr 2020 überträgt A seine Beteiligung auf E. Im August 2021 überträgt B seine Beteiligung auf F. Im Jahr 2022 überträgt C seine Beteiligung auf G.

Im August 2021 ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erfüllt, da innerhalb von 10 Jahren mindestens 90 %% der Anteile am Ges...

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