Entscheidungsstichwort (Thema)

Wertermittlung für ein unter Einräumung eines Wohnungsrechts übertragenes Grundstück

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bewertung einer Grundstücksübertragung gegen Einräumung eines Wohnungsrechts ist der Jahresnutzwert des Wohnungsrechts als künftig wiederkehrende Leistung mit dem sich nach § 14 Bewertungsgesetz ergebenden Faktor in der bei Vertragsschluss maßgeblichen Fassung zu kapitalisieren.

2. Wegen des einer Grundstücksübertragung gegen Einräumung eines Wohnungsrechts innewohnenden Risikos der künftigen Entwicklung bleibt der spätere tatsächliche Verlauf zwischen Vertragsschluss und Erlöschen des Wohnungsrechts aufgrund einer Erkrankung oder des Versterbens des Wohnungsrechtsinhabers unberücksichtigt. Ein angemessener Abschlag von dem sich nach § 14 Bewertungsgesetz ergebenden Kapitalisierungsfaktor ist ausnahmsweise dann vorzunehmen, wenn der Wohnungsrechtsinhaber bereits bei Vertragsschluss schwer erkrankt war, daher mit dem baldigen Erlöschen des Wohnungsrechts gerechnet werden musste, dieser Umstand beiden Vertragsschließenden bekannt war, und das Wohnungsrecht auch tatsächlich kurze Zeit nach Vertragsschluss erloschen ist.

 

Normenkette

BewG § 14; BGB § 528 Abs. 1 S. 1, § 1093

 

Verfahrensgang

LG Bückeburg (Urteil vom 30.12.2021; Aktenzeichen 1 O 216/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 30. Dezember 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.593,60 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A) Der Kläger verlangt als Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht Zahlung wegen Verarmung des Schenkers (Bescheide vom 4. Januar 2017 und 4. Juli 2017, Bl. 31 und 33 d. A.).

Die am 29. April 1951 geborene und am 5. September 2017 verstorbene E. M.,

die Mutter des Beklagten, war mit ihrem Bruder R. P. je zur ideellen Hälfte Miteigentümer des Grundstücks Am K. in B., das mit einem Zweifamilienhaus bebaut ist.

Durch notariellen "Kaufvertrag mit Auflassung" vom 4. April 2012 (Bl. 10 - 27 d. A.) veräußerte R. P. seine ideelle Hälfte des Grundbesitzes an den Beklagten und dessen Ehefrau N. M..

Mit derselben Urkunde ("Übergabevertrag im Wege der vorweggenommenen Erbfolge") übertrug die Mutter des Beklagten ihre ideelle Hälfte allein auf den Beklagten, der sich verpflichtete, die bestehenden Darlehensschulden abzulösen, für die zwei Grundschulden im Grundbuch eingetragen waren. Der Beklagte und seine Ehefrau räumten der Mutter des Beklagten ein lebenslängliches Wohnungsrecht an der im Erdgeschoss des Hauses gelegenen Wohnung ein, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Bad, verbunden mit dem Recht, diese unter Ausschluss des Eigentümers auf ihre Lebenszeit als Wohnung zu benutzen, und die gemeinschaftlichen Räume und Einrichtungen des Hauses mitzubenutzen sowie freies Ein- und Umgangsrecht in Haus, Hof und Garten zu jeder Tages- und Nachtzeit. Schuldrechtlich wurde vereinbart:

"§§ 13, 14 ff. Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum BGB werden abbedungen. Das Wohnungsrecht erlischt somit ersatzlos, wenn die Berechtigte, aus welchen Gründen auch immer, das Wohnungsrecht nicht mehr in Person ausübt. Den Berechtigten ist es nicht gestattet, die Ausübung des Wohnungsrecht ganz oder teilweise Dritten zu überlassen. ..."

Im November 2013 wurde bei der Mutter des Beklagten eine rasch fortschreitende Demenzerkrankung diagnostiziert mit der Folge, dass sie nicht mehr in der Lage war, ein selbständiges Leben zu führen. Ab dem 13. November 2013 war sie bis zu ihrem Tod durchgehend in einer vollstationären Pflegeeinrichtung untergebracht, wofür der Kläger ab dem 1. Januar 2016 Sozialhilfeleistungen für die Mutter des Beklagten in Höhe von insgesamt 14.593,60 EUR erbrachte (Bl. 38 d. A.).

Mit der Klage hat der Kläger vom Beklagten Erstattung dieses Betrages nebst Zinsen verlangt und vorgetragen, der Verkehrswert des hälftigen Miteigentumsanteils habe mindestens 135.000 EUR betragen. Abzüglich der auf die Mutter des Beklagten im Innenverhältnis mit ihrem Bruder entfallenden Darlehensrestschuld in Höhe von 61.200 EUR (= 50 % von 122.400 EUR) verbleibe eine Schenkung in Höhe von 73.800 EUR. Bei der Bewertung des Wohnungsrechts komme es auf den Anspruch zur Löschung der Grundbucheintragung an, weil die Mutter ab dem 13.11.2013 das Wohnungsrecht nicht mehr in Person habe ausüben können.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und geltend gemacht, der Wert des Wohnungsrechts sei anhand der üblichen Kapitalisierungstafeln zu bemessen.

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung zum Grundstückswert (Gutachten vom 9. September 2021, Bl. 135 ff. d. A.) die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung verweist, wendet der Kläger sich mit der Berufung und beantragt,

unter Abänderung des angefoch...

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