OFD Frankfurt, Verfügung v. 1.2.2006, S 0284 A - 21 - St II 4.04

Durch das Gesetz zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12.8.2005, BStBl 2005 I S. 855, wurde das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) neu gefasst. Es ist am 1.2.2006 in Kraft getreten.

Die Öffentliche Zustellung – bisher § 15 VwZG – wird im § 10 VwZG neu geregelt.

 

1. Allgemeines

Die öffentliche Zustellung als besondere Form der Zustellung ist nur zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Schriftstück dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln (vgl. BFH vom 6.6.2000, VII R 55/99, BStBl 2000 II S. 560).

An die Anordnung einer öffentlichen Zustellung sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 VwZG vorliegen, da durch die öffentliche Zustellung der Empfänger nur selten tatsächlich Kenntnis vom Inhalt des Verwaltungsakts erhält, er diesen aber durch die öffentliche Zustellung gegen sich gelten lassen muss. Eine unter Verstoß gegen die Voraussetzungen des § 10 VwZG durchgeführte öffentliche Zustellung verstößt gegen das Verfassungsgebot des rechtlichen Gehörs (BGH vom 6.4.1992, II ZR 242/91) und ist daher unwirksam.

 

2. Öffentliche Zustellung bei unbekanntem Aufenthaltsort des Empfängers, wenn auch eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 VwZG)

Der Aufenthaltsort des Empfängers ist nicht schon deshalb unbekannt, weil das FA seine Anschrift im Zeitpunkt der beabsichtigten Bekanntgabe nicht kennt oder Briefe als unzustellbar zurückkommen. Die Anschrift muss vielmehr allgemein unbekannt sein (BFH vom 26.6.1986, IV R 202/84, BFH/NV 1987 S. 98). Dies ist durch eine Bescheinigung der zuständigen Meldebehörde oder auf andere Weise zu belegen. Die bloße Abmeldung bei der Meldebehörde ist hierzu nicht ausreichend.

Das FA muss daher vor der öffentlichen Zustellung die nach Sachlage gebotenen und zumutbaren Ermittlungen nach dem Aufenthaltsort des Empfängers anstellen. Dazu gehören Nachforschungen bei der zuletzt zuständigen Meldebehörde, unter Umständen aber auch die Befragung von Angehörigen oder des bisherigen Vermieters (vgl. EFG 1996 S. 515). Mutmaßlichen Aufenthaltsorten des Empfängers muss durch Rückfragen bei der zuständigen Meldebehörde bzw. anderen Einrichtungen oder Personen nachgegangen werden. Die bloße Vermutung, dass eine Adresse, an die sich der Zustellungsempfänger bei der Meldebehörde abgemeldet hat, eine Scheinadresse ist, rechtfertigt keine öffentliche Zustellung. Erforderlich sind vielmehr Tatsachen, die von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lassen, dass der Zustellungsempfänger unter der von ihm genannten Anschrift wohnt (vgl. BFH vom 6.6.2000, a.a.O.).

Ist das FA seiner Ermittlungspflicht nachgekommen, ist die öffentliche Zustellung zulässig, auch wenn das Ergebnis der Ermittlungshandlungen, z.B. infolge unrichtiger Auskunft, falsch war (BFH vom 17.5.1990, X S 2/90, BFH/NV 1991 S. 13). Verletzt das FA seine Ermittlungspflicht, ist die öffentliche Zustellung unwirksam. Die Heilung des Zustellungsmangels nach § 8 VwZG durch die Übersendung einer Fotokopie des Schriftstücks an den Empfänger bzw. dessen Bevollmächtigten ist aber möglich (vgl. BFH vom 6.6.2000, a.a.O.).

 

3. Öffentliche Zustellung bei Unzustellbarkeit im Ausland (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 VwZG)

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VwZG kommt eine öffentliche Zustellung trotz bekanntem Aufenthaltsort des Empfängers dann in Betracht, wenn die Zustellung im Ausland nach § 9 VwZG unausführbar ist oder zumindest keinen Erfolg verspricht. Die Zustellung im Ausland ist unausführbar, soweit es in dem betroffenen Gebietsteil an geordneten staatlichen Einrichtungen fehlt. Eine Auslandszustellung verspricht dann keinen Erfolg, wenn sie an sich möglich wäre, ihre Durchführung aber etwa wegen Kriegs, Abbruchs der diplomatischen Beziehungen, Verweigerung der Amts- oder Rechtshilfe, mangels bestehender Auslandsvertretung oder unzureichender Vornahme durch die örtlichen Behörden nicht zu erwarten ist (vgl. BFH vom 6.6.2000, a.a.O.).

Soweit die ausländische Adresse des Empfängers bekannt ist und eine Postverbindung besteht, muss dem Empfänger durch einfachen Brief die öffentliche Zustellung sowie der Tag der Zustellung mitgeteilt und eine Kopie des Verwaltungsakts mit der Belehrung über den Beginn der Rechtsbehelfsfrist (§§ 355, 108 AO i.V.m. § 10 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VwZG) übersandt werden. Es ist zweckmäßig, den Brief bereits abzusenden, wenn die Benachrichtigung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 VwZG ausgehängt wird. Diese Benachrichtigung ist gegenüber allen Staaten zulässig, da es sich hierbei mangels rechtlicher Regelung nicht um einen Verwaltungsakt handelt.

 

4. Durchführung der öffentlichen Zustellung

a) Aushang

§ 10 Abs. 2 VwZG gilt für jede öffentliche Zustellung. Die Vorschrift differenziert nicht nach Inhalt oder Form des zuzustellenden Verwaltungsakts bzw. Schriftstücks.

Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 VwZG erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Bena...

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