rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlussfrist nach § 364b AO im Rechtsbehelfsverfahren. Ermessen. Umsatzsteuer 1993. Fristsetzung gemäß § 364 b AO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Finanzamt handelt ermessensfehlerhaft, wenn es bereits am dritten Tag nach Eingang des zunächst unbegründeten Einspruchs eine Ausschlussfrist nach § 364b AO von nur einem Monat setzt.

2. Die Nichtausübung von Ermessen stellt einen schweren Ermessensfehler dar, der die Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung zur Folge hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 364b Abs. 1 Nrn. 1, 3, §§ 5, 90

 

Tenor

Der Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 27. Dezember 1995 und der Einspruchsbescheid vom 15. März 1996 werden aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Umsatzsteuer 1993.

Da der Kläger trotz Aufforderung des beklagten Finanzamts (FA) keine Steuererklärung für das Streitjahr abgab, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen und veranlagte den Kläger mit Bescheid vom 27.12.1995 zu einer Umsatzsteuer von 37.074 DM. Aufgrund des dagegen erhobenen aber nicht begründeten Einspruchs vom 16.01.1996 – beim FA eingegangen am 19.01.1996 – setzte das FA dem Kläger mit Verfügung vom 22.01.1996 gemäß § 364 b AO eine Ausschlußfrist bis zum 22.02.1996 zur Angabe von Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühle und zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte sowie zur Bezeichnung von Beweismitteln oder zur Vorlage von Urkunden. Da der Kläger seinen Einspruch innerhalb der ihm gesetzten Ausschlußfrist nicht begründete, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 15.03.1996 den Einspruch als unbegründet zurück.

Dagegen richtet sich die Klage.

Nach Erlaß der Einspruchsentscheidung legte der Kläger seine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vor. In dieser am 11.04.1996 beim FA eingegangenen Erklärung errechnete der Kläger seine Umsatzsteuer mit 29.039,50 DM.

Der Kläger ist der Auffassung, das FA habe die Umsatzsteuer zu Unrecht um ca. 8.000 DM höher festgesetzt als erklärt. Zwar habe er seine Erklärung nicht innerhalb der Ausschlußfrist nach § 364 b AO eingereicht. Dennoch müsse das FA die nach Ergehen der Einspruchsentscheidung eingereichte Umsatzsteuererklärung berücksichtigen.

In der mündlichen Verhandlung vom 27.02.1997 ist für den Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen.

Der Kläger beantragt ausweislich der Akten sinngemäß,

die Umsatzsteuer 1993 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15.03.1996 und Änderung des Umsatzsteuerbescheides 1993 vom 27.12.1995 auf 29.039,50 DM herabzusetzen.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA ist der Auffassung, die Umsatzsteuererklärung 1993 könne nicht mehr berücksichtigt werden, da sie erst nach Ablauf der Ausschlußfrist eingereicht, worden sei und eine Berichtigung nach den Vorschriften der §§ 172 ff. AO ebenfalls nicht mehr möglich sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu überreichten Anlagen sowie auf den Inhalt der Steuerakten.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Zu Unrecht hat das FA die erst im Verlaufe des Klageverfahrens am 11.04.1996 bei ihm eingegangene Umsatzsteuererklärung 1993 nicht mehr berücksichtigt.

Zwar hat der Kläger im Streitfall die Umsatzsteuererklärung 1993 nicht fristgerecht abgegeben, so daß das FA gemäß § 162 Abgabenordnung (AO) befugt war, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Von dieser Befugnis hat das FA auch Gebrauch gemacht und den Kläger mit Bescheid vom 27.12.1995 zur Umsatzsteuer veranlagt. Das FA war jedoch nicht berechtigt, aufgrund des dagegen eingelegten Einspruchs des Klägers sofort eine Ausschlußfrist gemäß § 364 b AO zu setzen und den Einspruch nach Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist als unbegründet abzuweisen. Nach der überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung, der auch der erkennende Senat folgt, verfolgt der Gesetzgeber mit § 364 b AO zwar den Zweck, dem Mißbrauch des Rechtsbehelfsverfahrens zu rechtsbehelfsfremden Zwecken entgegenzuwirken; insbesondere soll damit verhindert werden, daß Steuerpflichtige im Rahmen des außergerichtlichen oder gar des finanzgerichtlichen Verfahrens Erklärungen und Beweismittel nachschieben (vgl. Tipke-Kruse AO § 364b Tz. 1 m.w.N., von Wedelstädt, Die Ausschlußfrist nach § 364b AO – Segen oder Last für die Finanzbehörde? in StuW 1996, 186 ff.). Diese Intention des Gesetzgebers, die nicht zuletzt auch zum Ziel hat, die Gerichte von Klagen freizustellen, die durch nachträgliches Vorbringen, insbesondere durch verspätete Abgabe oder Nichtabgabe von Steuererklärungen verursacht werden (vgl. Tipke/Kruse AO § 364 b Tz. 1 m.w.N.), rechtfertigt es aber nicht, dem Kläger bereits am dritten Tage nach Eingang seines Einspruchs eine nur einmonatige Ausschlußfrist gem. § 364 b AO zu setzen. Denn nach dem Wortlaut dieser Vorschrift „kann” die Finanzbehörde dem Einspruchsführer eine Frist setzen

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