Entscheidungsstichwort (Thema)

Überhöhter Ausweis und Entstehung der Umsatzsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Ausstellung einer Rechnung hat auf die Entstehung der Umsatzsteuer grds. keinen Einfluss. Sie stellt daher auch kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit dar.
  2. Der Umstand, dass im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung für die ausgeführten Leistungen bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist, kann nicht die Annahme eines überhöhten Steuerausweises i.S.d. § 14 Abs. 2 UStG begründen. Das UStG trifft keine Aussage über die Festsetzungsverjährung. Diese ist in der AO, also nicht in „diesem Gesetz” i.S.d. § 14 Abs. 2 UStG geregelt.
  3. Die in § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG enthaltene Regelung, wonach im Fall des überhöhten Umsatzsteuerausweises (§ 14 Abs. 2 UStG) die Steuer nicht im Zeitpunkt der Abrechnung, sondern im Voranmeldungszeitraum der ausgeführten Leistung entsteht, steht nicht im Einklang mit Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie.
 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 Nr. 2; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 2, 6. EG-Richtlinie Art. 10 Abs. 1 Buchst. A

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.11.2003; Aktenzeichen V R 79/01)

 

Tatbestand

Der Kläger betrieb bis zum 30. Juni 1988 eine Handelsvertretung in Gestalt eines Einzelunternehmens. Zum 1. Juli 1988 brachte er das Unternehmen in die W. Handelsvertretungs GmbH (GmbH) ein. Der Kläger unterwarf die Einbringung weder der Umsatzsteuer noch stellte er der GmbH hierüber eine Rechnung aus.

Dieser Sachverhalt wurde im Rahmen einer bei der GmbH durchgeführten steuerlichen Außenprüfung aufgedeckt. Der Kläger stellte daraufhin im September 1995 der GmbH eine Rechnung aus, in der er die auf den Umsatz entfallende Steuer in Höhe von 25.200,00 DM gesondert auswies.

Der Beklagte änderte nunmehr die Umsatzsteuerfestsetzung 1988 mit Bescheid vom 3. Juli 1996 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, indem er die vom Kläger ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 UStG erfasste.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Zu deren Begründung trägt der Kläger vor, eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei nicht in Betracht gekommen, weil spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1994 Festsetzungsverjährung eingetreten sie. Im Übrigen habe er, der Kläger, die Umsatzsteuer in der Rechnung an die GmbH nicht unberechtigt ausgewiesen.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1988 vom 3. Juli 1996 und den Einspruchsbescheid vom 8. Oktober 1996 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Ansicht, er habe die Umsatzsteuerfestsetzung ändern dürfen, weil die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr.. 2 AO erfüllt seien. Bei der Ausstellung der Rechnung im Jahr 1995 habe es sich um ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO gehandelt. In der Ausstellung einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis für eine in einem bereits festsetzungsverjährten Veranlagungszeitraum erfolgte Lieferung sei eine unberechtigte Rechnungserteilung im Sinne des § 14 Abs. 2 UStG zu sehen. Der Beklagte nimmt insoweit Bezug auf das BMF-Schreiben vom 2. Januar 1989 (IV A 2-S 7280-37/88; UR 1989, 71). Die Steuer entstehe in Fällen des § 14 Abs. 2 UStG nicht im Zeitpunkt der Rechnungserteilung sondern gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG in dem Zeitpunkt, in dem die Steuer für die Lieferung oder sonstige Leistung entsteht. Hieraus ergebe sich die für die Anwendung des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erforderliche steuerliche Rückwirkung.

Die Festsetzungsfrist sei auch noch nicht abgelaufen, weil sie in Fällen des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem das rückwirkende Ereignis eintrete.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuer-Nr. … sowie die Gerichtsakten verwiesen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte hat den Umsatzsteuerbescheid 1988 nicht mehr ändern dürfen, weil keine abgabenrechtliche Änderungsvorschrift eingreift. Insbesondere sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt.

Die Ausstellung der Rechnung im Jahr 1995 entfaltet keine steuerliche Wirkung für die Vergangenheit. Die Umsatzsteuer für die im Zusammenhang mit der Einbringung der Handelsvertretung in die GmbH ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen ist gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums des Jahres 1988 entstanden, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Die Ausstellung der Rechnung hat auf die Entstehung der Umsatzsteuer grundsätzlich keinen Einfluss. Sie stellt deshalb auch kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit dar.

Die Annahme eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wäre allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn der Kläger in der Rechnung aus dem September 1995 einen höheren Steuerbetra...

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