rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheide als Rechtsgrund für das Behaltendürfen geleisteter Vorauszahlungen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 37 Abs. 2 Satz 2 AO.
  2. Der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der von den Stpfl. geleisteten ESt-Vorauszahlungen entfällt durch den Ablauf der Festsetzungsfrist. Durch den Eintritt der Festsetzungsverjährung ist der Anspruch auf ESt 1997 gemäß § 47 Abs. 2 AO erloschen. Die Wirksamkeit der für 1997 ergangenen Vorauszahlungsbescheide hat sich dadurch gemäß § 124 Abs. 2 AO „auf andere Weise” erledigt.
  3. Eine Verpflichtung zur Entrichtung der ESt entsteht erst nach Festsetzung der ESt. Die ESt-Vorauszahlung ist keine eigenständige Vorauszahlungssteuer. Vorauszahlungsbescheide sind daher in der Dauer ihrer Regelungswirkung bis zum Zeitpunkt der endgültigen Steuerfestsetzung begrenzt.
  4. Ergeht ein ESt-Bescheid, erledigt sich der Vorauszahlungsbescheid „auf andere Weise” i. S. des § 124 Abs. 2 AO. Nämliches muss gelten, wenn eine Steuer wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr festgesetzt werden kann, aber endgültig feststeht, dass diese in Höhe der festgesetzten Vorauszahlungen nicht geschuldet wird.
  5. Darf die Jahressteuerschuld nicht mehr festgesetzt werden oder wird die Festsetzung aufgehoben, fällt die Vorauszahlungsschuld ebenfalls weg.
 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2, § 47 Abs. 2, § 124 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1997

 

Tatbestand

Die Kläger beanspruchen die Erstattung von Vorauszahlungen. Diese seien ohne Rechtsgrund gezahlt worden, da dem Erlass eines Jahressteuerbescheides der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegenstehe.

Die Kläger sind Eheleute. Sie leisteten aufgrund von Einkommensteuervorauszahlungsbescheiden für 1997 in 1997 – dem Grunde und der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitige – Vorauszahlungen zur Einkommensteuer von umgerechnet 26.695,05 €, auf den Solidaritätszuschlag von 2.026,75 € und zur Kirchensteuer von 183,03 €. Wegen der Einzelheiten wird insofern auf den Ausdruck aus dem Erhebungsspeicher vom 16. September 2009 (Blatt 20 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Nach den vorgelegten Einkommensteuerakten setzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Vorauszahlungen für 1997 durch die Einkommensteuerbescheide 1994 vom 3. Juli 1996, 1991 und 1993 vom 16. Juli 1997, 1992 vom 21. Juli 1997, 1994 vom 28. Juli 1997 und den Vorauszahlungsbescheid vom 10. September 1997 fest.

Am 12. August 2002 verfügte der Beklagte unter Ansatz geschätzter Besteuerungsgrundlagen eine Festsetzung der Einkommensteuer 1997 auf 28.543 €. Der Jahressteuerbescheid war auf den 22. August 2002 datiert.

Am 27. September 2005 reichten die Kläger ihre Einkommensteuererklärung ein. Auf die formlose Mitteilung des Beklagten, eine Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 22. August 2002 komme nicht in Betracht, teilten die Kläger mit, dass ihnen ein solcher Steuerbescheid nicht bekannt gegeben worden sei. Gleichzeitig beantragten sie die Erstattung der Abschluss- und Vorauszahlungen. Im Folgenden stellten die Beteiligten Einvernehmen darüber her, dass den Klägern der Steuerbescheid vom 22. August 2002 nicht wirksam bekanntgegeben worden sei bzw. der Beklagte eine solche Bekanntgabe nicht nachweisen könne. Wegen der Einzelheiten wird insofern auf die Aktenvermerke … Bezug genommen.

Mit Abrechnungsbescheid vom 6. September 2007 stellte der Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der zum 25. September 2002 geleisteten Abschlusszahlungen fest. Der Erstattung der Vorauszahlungen stehe aber der Eintritt der Zahlungsverjährung entgegen. Der Lauf der Verjährungsfrist habe mit Ablauf des 31. Dezember 1997 begonnen (§§ 229 Abs. 1, 220 AbgabenordnungAO –) und mit Ablauf des 31. Dezember 2002 geendet (§ 228 AO).

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsbescheid vom 5. März 2009 als unbegründet zurück. Seit dem Inkrafttreten der AO handele es sich bei einem Vorauszahlungsbescheid um eine eigenständige Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 2 AO). Dieser Vorbehalt entfalle mit Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO). Daraus folge, dass der Vorauszahlungsbescheid endgültig seine Wirkung behalte, wenn der Erlass eines Jahressteuerbescheides wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist unmöglich werde.

Der Vorauszahlungsbescheid hätte erst dann seine Wirkung verloren, wenn ein Jahressteuerbescheid wirksam bekanntgegeben worden wäre, was vorliegend nicht der Fall sei. Die Vorauszahlungen seien daher nicht rechtsgrundlos geleistet worden und die Kläger verfügten nicht über einen Erstattungsanspruch.

Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Kläger Folgendes vortragen:

Die streitbefangenen Zahlungen seien aufgrund von Vorauszahlungsbescheiden in 1997 geleistet worden. Ein wirksamer Einkommensteuerjahresbescheid für 1997 habe wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr erlassen werden können. Da die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch Eintritt der Festse...

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