Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Erstattungspflicht für Einkommensteuer-Vorauszahlungen, wenn der Steueranspruch verjährt ist

 

Leitsatz (amtlich)

Einkommensteuer-Vorauszahlungen sind gemäß § 37 Abs. 2 AO zu erstatten, wenn das Finanzamt einen Jahressteuerbescheid wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr erlassen kann.

 

Normenkette

AO §§ 47, 124 Abs. 2, § 37 Abs. 2, §§ 164, 171 Abs. 14; EStG § 37 Abs. 1, § 36 Abs. 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.09.2014; Aktenzeichen VII R 11/12)

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung des beklagten Finanzamts, dem Kläger geleistete Einkommensteuer-Vorauszahlungen wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung des Steueranspruchs zu erstatten.

Für den in den Streitjahren 1999 und 2000 ledigen Kläger wurden Vorauszahlungen auf Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 1999 und 2000 wie folgt festgesetzt:

Vorauszahlungen 1999:

ESt

SolZ

Bescheid v. 25. November 1998

2.052,00 DM

97,00 DM

Bescheid v. 18. März 1999

0,00 DM

0,00 DM

Bescheid v. 28. Juli 2000

10.100,00 DM

507,00 DM

12.152,00 DM

604,00 DM

= 6.213,22 €

= 308,82 €

Vorauszahlungen 2000:

Bescheid v. 28. Juli 2000

1.770,00 DM

582,00 DM

= 6.017,90 €

= 297,58 €

Die Vorauszahlungen wurden vom Kläger vollständig entrichtet.

In der Folgezeit reichte der Kläger für die Jahre 1999 und 2000 keine Einkommensteuererklärungen beim Beklagten ein. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen auf ein gegen ihn am 22. Februar 2001 eingeleitetes Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerverkürzung zugunsten seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau und die damit im Zusammenhang stehende Beschlagnahme seiner Buchhaltungskonten und -belege.

Der Beklagte hat bis heute keine Jahresveranlagung zur Einkommensteuer 1999 und 2000 durchgeführt.

Mit Schreiben vom 24. April 2008 beantragte der Kläger, ihm die geleisteten Vorauszahlungen auf Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für die Jahre 1999 und 2000 zu erstatten. Der Beklagte legte das Schreiben als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO i.V. mit § 37 Abs. 2 AO aus und erließ unter dem 31. August 2009 einen Abrechnungsbescheid, wonach hinsichtlich der Vorauszahlungen auf Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 1999 und 2000 kein Erstattungsanspruch des Klägers bestehe.

Hiergegen legte der Kläger am 10. September 2009 Einspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen sinngemäß vortrug, die zum 31. Dezember 2006 (ESt/SolZ 1999) bzw. zum 31. Dezember 2007 (ESt/SolZ 2000) eingetretene Festsetzungsverjährung habe dazu geführt, dass sich die Vorauszahlungsbescheide gemäß § 124 Abs. 2 AO "auf andere Weise" erledigt hätten und die geleisteten Vorauszahlungen daher wegen Wegfall ihres rechtlichen Grundes zu erstatten seien.

Mit Einspruchsentscheidung vom 20. August 2010 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Eine Zahlung ohne rechtlichen Grund nach § 37 Abs. 2 AO sei nicht gegeben. Die Vorauszahlungsbescheide seien nicht in einem Steuerbescheid aufgegangen und hätten sich somit nicht auf andere Weise erledigt. Sie seien daher weiterhin der Rechtsgrund für die geleisteten Zahlungen. Mit Ablauf der Festsetzungsverjährung werde der Vorauszahlungsbescheid nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO zu einem endgültigen Bescheid, der Grundlage für die Verwirklichung des Steueranspruchs sei.

Mit seiner hiergegen gerichteten und am 23. September 2010 bei Gericht eingegangenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Vorauszahlungsbescheide hätten sich nach § 124 Abs. 2 AO "auf andere Weise" erledigt, da die Vorauszahlungen wegen der eingetretenen Festsetzungsverjährung nicht mehr auf die endgültige Steuerschuld angerechnet werden könnten. Insbesondere werde auf das Urteil des FG Hamburg vom 05. Dezember 1986 (EFG 1988, 577) verwiesen, wonach die bestandskräftigen Vorauszahlungsbescheide keinen Rechtsgrund für das endgültige Behaltendürfen der geleisteten Vorauszahlungen schafften.

Der Kläger beantragt sinngemäß und schriftsätzlich,

den Abrechnungsbescheid vom 31. August 2009 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 20. August 2010 dahingehend zu ändern, dass dem Kläger die geleisteten Vorauszahlungen auf Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 1999 und 2000 erstattet werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei eine Erledigung von Vorauszahlungsbescheiden "auf andere Weise" im Sinne von § 124 Abs. 2 AO nur in Fällen angenommen worden, in denen die Finanzbehörde Jahressteuerbescheide erlassen habe, die wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung später wieder aufgehoben worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Der Antrag des klägerischen Prozessbevollmächtigten, den ...

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