vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Wohnsitz i. S. von § 8 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu der Frage, wo ein Stpfl. seinen Wohnsitz nach § 8 AO hat.
  2. Ein Stpfl. kann mehrere Wohnungen und mehrere Wohnsitze i. S. des § 8 AO haben. Diese können Inland- und/oder im Ausland gelegen sein.
  3. Wird ein ArbN für zwei Jahre ins Ausland entsendet und behält er das von ihm und seiner Familie vor und nach dem Auslandsaufenthalt bewohnte Einfamilienhaus im Inland während des Aufenthalts im Ausland unverändert und in wohnbereitem Zustand bei, ohne sich auch nur einmal darin aufzuhalten, hat er dort während des Auslandsaufenthalts keinen Wohnsitz i. S. des § 8 AO.
 

Normenkette

AO § 8

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Kind S für den Zeitraum von Januar 02 bis Januar 03.

Der Kläger bezog aufgrund eines Kindesgeldbescheids des Beklagten (Familienkasse) Kindergeld für seine Tochter S. Er war bei der A AG in Stadt B beschäftigt und bewohnte zusammen mit seiner Ehefrau und seiner Tochter ein in seinem Eigentum stehendes Einfamilienhaus in Stadt B.

Mit Wirkung zum 1. Juni 01 wurde der Kläger von seinem Arbeitgeber in das Land C versetzt. Vertragliche Grundlage war ein „Global Assignment Vertrag” (Entsendevertrag) zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber. Der Entsendevertrag regelte u.a., dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der A AG ruhend gestellt wurde; stattdessen schloss der Kläger mit Beginn des Auslandseinsatzes einen lokalen Arbeitsvertrag mit einer brasilianischen Gesellschaft. Der Auslandseinsatz war nach dem Entsendevertrag befristet auf zwei Jahre, er hätte in beiderseitigem Einvernehmen verlängert werden können.

Der Kläger informierte die Familienkasse über die bevorstehende Entsendung und gab an, seine bisherige Wohnung gleichwohl zu behalten. Er gab auf Nachfrage u.a. an, dass noch nicht absehbar sei, ob er während der Abordnungszeit Aufenthaltszeiten im Inland haben werde.

Während des Auslandsaufenthalts (Juni 01 bis Juni 03) befand sich das Familienwohnhaus in Stadt B weitgehend im Zustand wie vor der Abreise des Klägers und seiner Familie. Es blieb möbliert und wurde nicht vermietet. Sämtliche Versorgungsverträge blieben ungekündigt bestehen, so dass das Haus auch weiterhin in demselben bewohnbaren Zustand vorgehalten wurde wie vor der Abreise. Tatsächlich genutzt haben der Kläger und seine Familie das Haus während des Auslandsaufenthalts indes nicht; der Kläger und seine Familie sind während des Auslandsaufenthalts überhaupt nicht nach Deutschland zurückgekehrt. Die Frau des Klägers stammt aus Land C und der Großteil ihrer Familie lebt in Land C. Urlaubszeiten nutzten der Kläger und seine Familie, um die Kontakte zu den in Land C lebenden Verwandten zu pflegen, sowie für Reisen in den Nachbarländern. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger an, dass zwar nicht geplant gewesen sei, während des Auslandsaufenthalts nach Deutschland zurückzukehren; wenn es aber hätte sein müssen, hätte die Möglichkeit dazu jederzeit bestanden.

Aufgrund fehlender Angaben oder Nachweise des Klägers zu Inlandsaufenthalten hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum ab Januar 2015 auf. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Diesen wies die Familienkasse durch Einspruchsbescheid vom 12. Januar 2016 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Familienkasse aus, dass das Bestehen einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht durch den Kläger nicht nachgewiesen worden sei. Der Kläger habe einen entsprechenden Bescheid des Finanzamtes nicht eingereicht.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger geltend macht, die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sei rechtswidrig. Der Kläger verfüge weiterhin über einen Wohnsitz im Inland. Das im Eigentum des Klägers befindliche Haus entspreche den persönlichen Wünschen und Vorstellungen des Klägers und sei während des zeitlich befristeten Auslandsaufenthalts weiterhin unverändert bestehengeblieben. Es ermögliche dem Kläger die jederzeitige Rückkehr an seinen Wohnsitz. Art und Dauer der Nutzung des inländischen Wohnsitzes seien nur am Rande zur Betrachtung heranzuziehen. Auch die Finanzverwaltung verlange für ein Beibehalten des Wohnsitzes in Deutschland keine Mindestaufenthaltszeiten, wie sich in dem BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohnes nach dem Doppelbesteuerungsabkommen vom 12. November 2014 widerspiegele. Der Lebensmittelpunkt müsse nicht im Inland aufrecht erhalten bleiben.

Eine andere Beurteilung würde § 31 EStG aushebeln, wenn die Familienkasse feststelle, dass kein Anspruch auf Kindergeld bestehe. Zwar seien die Feststellungen des Finanzamts für das Kindergeldverfahren grundsätzlich nicht bindend. Jedoch dürfe bei zwei formal separaten, aber nach Zweck und Systematik interdependenten Verwaltungsverfahren derselbe Sachverhalt bei denselben anzuwendenden Tatbestandsvoraussetzungen nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolg...

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