rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch während eines beruflich bedingten, kurzfristig angelegten Auslandsaufenthalts der Familie im nichteuropäischen Ausland unter Aufrechterhaltung der inländischen Familienwohnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach der Lebenserfahrung spricht es für die Beibehaltung eines Wohnsitzes i. S. d. § 8 AO im Inland, wenn der Steuerpflichtige die zusammen mit seiner Frau und drei Kindern bewohnte, 200 qm große Familienwohnung im Inland, die von der Familie vor und auch nach einem voraussichtlich kurzfristigen, beruflich veranlassten Auslandsaufenthalt im nichteuropäischen Ausland genutzt wird, auch während des Auslandsaufenthalts unverändert und in einem ständig nutzungsbereiten Zustand beibehält und wenn der Steuerpflichtige bzw. die Familienmitglieder die Wohnung auch während des Auslandsaufenthalts immer wieder aufsuchen und nicht nur zu Besuchs-, sondern zu Wohnzwecken nutzen. Das gilt auch dann, wenn ein konkreter Rückkehrtermin des Steuerpflichtigen nicht von vornherein feststand, nach den gesamten Umständen aber innerhalb kurzer Zeit zu erwarten war.

2. Aus der Rspr. des BFH zum Kindergeldrecht ergibt sich nicht, dass im Kindergeldrecht strengere Anforderungen an den Wohnsitzbegriff anzustellen sind, als sie seit jeher der ertragsteuerlichen Rechtsprechung des BFH und RFH zur Abgrenzung der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 EStG) zu entnehmen sind.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3, § 1 Abs. 1, 4; AO §§ 8-9

 

Tenor

1. Der Kindergeldaufhebungsbescheid vom 29.04.2016 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 26.01.2017 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob während des beruflich bedingten Auslandsaufenthalts des Klägers unter Beibehaltung einer inländischen Wohnung ein Kindergeldanspruch besteht.

Der Kläger wohnte bis zu seinem Umzug nach X (nichteuropäisches Ausland) im … 2015 mit seiner Familie in A (Inland), in einer ca. 200 qm großen Eigentumswohnung. Die Familie bestand aus dem Kläger, seiner Frau F, der Tochter T und den Söhnen S1 und S2. Die Kinder verfügten dort jeweils über ein eigenes Zimmer. T befand sich in Berufsausbildung, ab … studierte sie in B (Inland) und verbrachte die vorlesungsfreie Zeit sowie teilweise die Wochenenden in der Familienwohnung in A. Der Kläger arbeitete vom … 2015 bis …2017 … bei der Firma C in X. Seit … 2017 ist er bei der Fa. Z in Y (europäisches Ausland) beschäftigt. Während seiner beruflichen Tätigkeit in X hatte der Kläger mit seiner Frau und den beiden Söhnen eine Wohnung in X bezogen. Die beiden Söhne sind ab … 2015 in X auf eine deutsche Schule gegangen. Der Schulwechsel zurück ins Inland wurde nicht im …2017 vollzogen, vielmehr soll S1 im … 2018 an der … in X den … Abschluss absolvieren. … Der Sohn S2 besucht bis Sommer 2018 die … in X und soll ab … 2018 im Inland seine berufliche Ausbildung weiterführen. Die Familienwohnung in A wurde während des Aufenthalts in X beibehalten, d.h. sie blieb vollständig möbliert, die Versorgungsverträge liefen weiter und die Wohnung wurde nicht vermietet. In den folgenden Zeiträumen hielt sich die Familie in A … auf (vgl. Flugbestätigung des Reisebüros … vom 13.2.2018):

16.09.2015 bis 20.09.2015

(Kläger)

22.12.2015 bis 03.01.2016

(Kläger)

20.12.2015 bis 03.01.2016

(Familie komplett)

03.05.2016 bis 08.05.2016

(Ehefrau alleine)

27.06.2016 bis 29.08.2016

(Ehefrau und Söhne)

05.08.2016 bis 21.08.2016

(Kläger über D)

21.12.2016 bis 03.01.2017

(Familie komplett + Urlaub in D)

02.07.2017 bis 01.09.2017

(Ehefrau und Söhne)

27.07.2017 bis 14.08.2017

(Kläger)

22.11.2017 bis 26.11.2017

(Ehefrau und S1).

Nach der Rückkehr aus X hält sich der Kläger überwiegend an den Wochenenden in A auf. Die Ehefrau des Klägers hält sich nach der Rückkehr des Klägers aus X ca. alle 6 Wochen in A, ansonsten bis zur Beendigung des Schuljahres 2017/2018 in X bei den Kindern auf.

Die beklagte Familienkasse (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 29.04.2016 die Kindergeldfestsetzung für T, S1 und S2 ab 1. September 2015 auf und forderte das überzahlte Kindergeld zurück. Begründet wurde die Kindergeldaufhebung damit, dass die Kinder nicht mehr berücksichtigt werden könnten, da sie im Inland bzw. EU-Ausland weder über einen Wohnsitz noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfügten. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 26.01.2017). Diesmal wurde die fehlende Kindergeldberechtigung damit begründet, dass der Kläger im Inland weder über einen Wohnsitz, noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfüge und er auch weder die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) noch...

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