Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufgabe des Wohnsitzes während einer langen Rundreise - hier: 12 Monate FG Schleswig-Holstein: Aufgabe des Wohnsitzes während einer langen Rundreise

 

Leitsatz (amtlich)

Während einer Rundreise (hier durch Europa) wird der Wohnsitz nach § 8 AO nicht bereits deshalb aufgegeben, weil diese 12 Monate andauert.

Eine zeitliche Grenze i.S. eines "Maximalaufenthalts" kann abstrakt nicht festgelegt werden. Die Dauer des Aufenthaltes allein reicht für die Bewertung, ob ein Wohnsitz aufgegeben oder beibehalten wird, nicht aus. Insbesondere das Alter des Kindes und der Zweck des Auslandsaufenthalts sind mit zu berücksichtigen.

 

Normenkette

AO § 8; EStG § 62 Abs. 1 Nrn. 1, 2a, 3, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für seine beiden Kinder A, geboren am xx.xx.2015, und C, geboren am xx.xx.2019, ab November 2021 hat.

Die mit dem Kläger verheiratete Mutter der Kinder unternahm im Streitzeitraum von Ende Oktober 2021 bis Ende November 2022 mit den beiden Söhnen gemeinsame Auslandsreisen innerhalb der EU und ausschließlich in Mitgliedsstaaten der EU. Hierüber wurde die Beklagte informiert. Nach Aktenlage kehrten die Ehefrau des Klägers und die beiden Söhne zwischendurch immer wieder nach Deutschland zurück.

Mit Bescheid vom 05. November 2021 hob die Beklagte die am 07. Januar 2016 für das Kind A und die am 30. Januar 2020 für das Kind C erfolgten Kindergeldfestsetzungen ab dem Monat November 2021 auf und begründete dies ausschließlich damit, dass die Kinder des Klägers nicht in seinem Haushalt leben würden.

Mit Schreiben vom 23. November 2021 legte der Kläger gegen den Aufhebungsbescheid form- und fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass er in keinem weiteren Land Kindergeld beantragt bzw. bezogen worden sei. Die Kinder seien lediglich begrenzt zu Ausbildungszwecken unterwegs gewesen, hätten sich innerhalb der EU aufgehalten und würden steuerlich über den Kläger laufen, welcher in Deutschland gemeldet und steuerpflichtig sei.

Mit Entscheidung vom 19. Dezember 2022 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Sie vertrat weiterhin die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Zahlung von Kindergeld für die beiden Söhne des Klägers nicht vorliegen würden. Für einen steuerrechtlichen Kindergeldanspruch würden Kinder gemäß § 63 Abs. 1 Satz 6 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht berücksichtigt, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, hätten. Es sei denn, sie würden im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG. Die Tatbestandsmerkmale des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG erfülle der antragstellende Elternteil im vorliegenden Fall nicht. Es komme daher hier für den geltend gemachten Kindergeldanspruch allein auf den Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in den genannten Gebieten an. Einen Wohnsitz habe jemand nach § 8 Abgabenordnung (AO) dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehabe, die darauf schließen lassen würden, dass er diese beibehalten und benutzen werde. Mit Wohnung seien objektiv zum Wohnen geeignete Räume gemeint. Der Steuerpflichtige müsse die Wohnung innehaben, d.h. er müsse tatsächlich über sie verfügen können und sie als Bleibe nicht nur vorübergehend nutzen wollen. Das bloße Besitzen der Wohnung oder kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubszwecken, Berufszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen würden, reiche nicht aus. Wohne ein Kind im Ausland unter Umständen, die erkennen ließen, dass es dort nicht nur vorübergehend bleibe, so liege der Wohnsitz des Kindes im Ausland, auch wenn die Eltern ihren Wohnsitz im Inland hätte. Nach den der Familienkasse vorliegenden Unterlagen seien die Kinder des Klägers zum 13. Oktober 2021 nach unbekannt abgemeldet worden und befänden sich mit der Kindesmutter auf Reise durch Europa, welche mit PKW/Camper/Bus durchgeführt werde. Die Kinder hätten aufgrund der Urlaubsreise durch Europa weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, weshalb der Kindergeldanspruch des Klägers ausscheide.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht erhobenen Klage. Er ist der Auffassung, dass er einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für seine beiden Söhne habe. Die Kinder seien gemeinsam mit deren Mutter lediglich zeitlich begrenzt und für Bildungszwecke innerhalb der EU auf Reisen gewesen. Darüber hinaus habe die Mutter der beiden gemeinsamen Kinder in keinem anderen EU-Mitgliedsstaat Kindergeld beantragt. Er sei in Deutschland unbegrenzt steuerpflichtig. Die von der Beklagten geforderten Nachweise habe er eingereicht und alle gestellten Fragen beantwortet. Die Mutter der Kinder sei im Ausland während ...

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