Im Rahmen von Umwandlungsvorgängen mit einer OG als aufnehmendem Rechtsträger kann es zu Verwerfungen aufgrund von Abführungsdivergenzen kommen. Dies wird im nachfolgenden Beispiel skizziert.

 

Beispiel

Die A-GmbH erwirbt 2024 für 110 Mio. EUR sämtliche Anteile an der T-GmbH, die ein handels- und steuerbilanzielles Eigenkapital von 10 Mio. EUR hat. Alleingesellschafterin der A-GmbH ist die Z-GmbH & Co. KG, an der ausschließlich natürliche Personen als Kommanditisten vermögensmäßig beteiligt sind. Zwischen der A-GmbH und der Z-KG besteht seit mehr als 6 Jahren eine ertragsteuerliche Organschaft; der steuerliche Buchwert für die Organbeteiligung beträgt 0 EUR. Um den Finanzierungsaufwand für den Erwerb der T-GmbH mit deren Gewinnen steuerlich verrechnen zu können, soll die T-GmbH in 2024 auf die A-GmbH verschmolzen werden – und zwar mit steuerlicher Rückwirkung zum Ablauf des 31.12.2023.

Lösung: Die Verschmelzung führt bei der A-GmbH zu einem steuerlich irrelevanten Übernahmeverlust i.S.d. § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG – und zwar i.H.v. 100 Mio. EUR. Dieser steuerliche Übernahmeverlust wird zum steuerlichen Verschmelzungsstichtag wirksam – nämlich zum Ablauf des 31.12.2023 (= letzte logische Sekunde in 2023) – und entspricht der Differenz zwischen dem steuerlichen Buchwert für die Beteiligung an der T-GmbH (110 Mio. EUR) und dem steuerbilanziellen Eigenkapital der T-GmbH zum steuerlichen Verschmelzungsstichtag (10 Mio. EUR). Handelsrechtlich wird die Verschmelzung in 2024 erfasst, nämlich mit deren Anmeldung zum Handelsregister, denn erst ab diesem Zeitpunkt geht das für die handelsrechtliche Bilanzierung maßgebliche wirtschaftliche Eigentum an den Aktiva und Passiva der T-GmbH auf die A-GmbH über.[16]

Zu den damit verbundenen Abführungsdivergenzen:

  • In 2023 übersteigt das handelsrechtlich abzuführende Ergebnis der A-GmbH deren steuerbilanzielles Ergebnis um 100 Mio. EUR, d.h. auf Ebene der Z-GmbH & Co. KG ergibt sich in 2023 eine in organschaftlicher Zeit verursachte Mehrabführung von 100 Mio. EUR Da an der Z-GmbH & Co. KG nur natürliche Personen vermögensmäßig beteiligt sind, ist das Teileinkünfteverfahren anzuwenden. Zu beachten ist, dass die verschmelzungsbedingte, organschaftlich verursachte Mehrabführung einen steuerlichen Ertrag auslöst, soweit sie die Summe aus steuerlichem Beteiligungsbuchwert und Einlage übersteigt (vgl. § 14 Abs. 4 S. 5 KStG). Da der steuerliche Buchwert der Organbeteiligung im steuerlichen Verschmelzungsstichtag 0 EUR beträgt, die Mehrabführung aber 100 Mio. EUR, löst die Verschmelzung in 2023 einen mehrabführungsbedingten steuerlichen Ertrag von 100 Mio. EUR aus, der wegen des Teileinkünfteverfahrens zu 60 % steuerpflichtig ist. Auf Basis einer unterstellten Steuerquote von 50 % beträgt die damit verbundene Steuerlast 30 Mio. EUR.
  • In 2024 kommt es zu einem Umkehreffekt – und zwar dahingehend, dass sich i.H.v. 100 Mio. EUR eine verschmelzungsbedingte, organschaftlich verursachte Minderabführung ergibt. Diese ist als verdeckte Einlage zu behandeln und erhöht in 2024 das steuerliche Einlagekonto der A-GmbH und den steuerlichen Buchwert für die Beteiligung an der A-GmbH um jeweils 100 Mio. EUR.
  • Die auf der Mehrabführung basierende Steuerlast bleibt auch dann bestehen, wenn die A-GmbH den verschmelzungsbedingten Übernahmeverlust dadurch vermeidet, dass sie die stillen Reserven im verschmolzenen Vermögen nach § 24 UmwG aufstockt[17]; insbesondere entfällt durch einen solchen rein handelsbilanziellen step-up nur der abführungstechnische Umkehreffekt, d.h. die in 2024 anderenfalls eintretende, organschaftlich verursachte Minderabführung. Insbesondere verlagert sich diese ratierlich auf die nachfolgenden Veranlagungszeiträume – und zwar dahingehend, dass die laufenden Abschreibungen auf die handelsbilanziell aufgestockten stillen Reserven organschaftlich verursachte Minderabführungen auslösen.

Zu den Restriktionen dieser praxisrelevanten Verschmelzungskonstellation folgende kursorische Überlegungen und Gestaltungshinweise:

[16] Vgl. Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 17 UmwG Rz. 37; Budde in Widmann/Mayer, § 24 UmwG Rz. 25 ff. (Feb. 2021); IdW, RS HFA 42, Tz. 29.
[17] Vgl. zu diesem rein handelsbilanziellen Aufstockungswahlrecht: Budde in Widmann/Mayer, § 24 UmwG Rz. 141 ff. (Feb. 2021); Moszka in Semler/Stengel/Leonard, UmwG, 5. Aufl. 2021, § 24 Rz. 66.

1. Teleologische Reduktion des § 14 Abs. 4 KStG

Nach der BFH-Rechtsprechung ist von einer organschaftlichen Mehr- oder Minderabführung auszugehen, soweit dies erforderlich ist, um eine Einmalbesteuerung organschaftlicher Erträge sicherzustellen.[18]

 

Ausführungen zum o.a. Beispiel

Bei der hier vorliegenden Verschmelzungskonstellation werden die Erträge der T-GmbH und der A-GmbH auch ohne § 14 Abs. 4 KStG auf Ebene der Z-GmbH & Co. KG (OT) in vollem Umfang steuerlich erfasst, d.h. für diese Konstellation ist im Wege einer teleologischen Reduktion von einer Anwendung des § 14 Abs. 4 KStG abzusehen, weil zwar nach dessen Wortlaut Mehr- und Minderabführungen vorliegen, deren s...

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