Leitsatz

1. Macht ein Steuerpflichtiger Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige steuermindernd geltend, trifft ihn nach § 90 Abs. 2 AO eine erhöhte Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Sachverhalts sowie zur Vorsorge und Beschaffung von Beweismitteln. Da die Erfüllung dieser Mitwirkungspflichten erforderlich, möglich, zumutbar und verhältnismäßig sein muss, können hinsichtlich der Beschaffung amtlicher Bescheinigungen aus Krisengebieten Beweiserleichterungen in Betracht kommen.

2. Auch wenn das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet und ihm als Tatsacheninstanz die Auswahl und Gewichtung der erforderlichen Beweismittel obliegt, hat es die erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 AO zu berücksichtigen. Die Entscheidung, welche Anforderungen an den Nachweis von Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende, unterstützungsbedürftige Angehörige zu stellen sind und welche Beweismittel der Steuerpflichtige zu beschaffen hat, gehört zur Rechtsanwendung und kann daher vom BFH überprüft werden.

3. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Sind Tatsachen, aufgrund derer das FG seine Überzeugung gebildet hat, widersprüchlich oder ist die Folgerung aus den festgestellten Tatsachen nicht nachvollziehbar, liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, den das Revisionsgericht von Amts wegen als Fehler der Rechtsanwendung zu beachten hat.

 

Normenkette

§ 33a Abs. 1 EStG , § 33a Abs. 4 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger machte Unterhaltszahlungen an seine im Kosovo lebende verwitwete Mutter geltend. Er legte eine Unterhaltsbescheinigung vor, in der u.a. die Fragen nach der Arbeitslosigkeit und gelegentlicher beruflicher Tätigkeit, nach dem Beginn der Unterstützungsleistungen nach dem Vermögen und Unterstützungsleistungen aus öffentlichen Mitteln unbeantwortet waren. Eine von der Mutter und einem Verwandten unterzeichnete Empfangsbestätigung wies Unklarheiten hinsichtlich der Reisedaten des Überbringers auf. Außerdem war die Mittelbeschaffung durch den Kläger nicht geklärt.

Trotz dieser Unstimmigkeiten gab das FG im Hinblick auf die Aussage des Überbringers als Zeugen der Klage statt.

 

Entscheidung

Die Entscheidung des FG wurde aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Der BFH beanstandete die Beweiswürdigung des FG sowohl hinsichtlich der Unterhaltsbedürftigkeit der Mutter als auch in Bezug auf die Zahlung der vom FG anerkannten Unterhaltsleistungen. Die Unterhaltsbescheinigung sei lückenhaft und die Angaben zu den Zahlungen widersprüchlich. Deshalb liege ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, den der BFH von Amts wegen als Rechtsfehler zu beachten habe.

 

Hinweis

Der BFH bestätigt in dieser ungewöhnlich ausführlichen Entscheidung die in dem BMF-Schreiben vom 15.9.1997 (BStBl I 1997, 826) aufgestellten Kriterien für die Anerkennung von Unterstützungsleistungen an Angehörige im Ausland. Neben der Bedürftigkeit sind insbesondere auch die tatsächlichen Zahlungen nachzuweisen, und zwar durch sichere und leicht nachprüfbare – nach Möglichkeit inländische – Beweismittel. Die Bedürftigkeitsbescheinigungen erwachsener Unterhaltsempfänger müssen detaillierte Angaben über vor dem Beginn der Unterstützung bezogene Einkünfte enthalten.

Dabei ist es zumutbar, vollständig ausgefüllte Bescheinigungen vorzulegen, wobei in Bürgerkriegsfällen geringere Nachweisanforderungen in Betracht kommen können. Die Beweiserleichterung für in bar geleistete Zahlungen (Mitnahme eines Nettomonatslohns für höchstens 4 Heimfahrten, BMF vom 15.9.1997, a.a.O., Nr. 4 a.E.) gilt allerdings nicht, wenn beide Ehegatten im Inland leben (BFH vom 19.5.2004, III R 39/03, BFH-PR 2005, 32).

Welche Beweismittel im Einzelfall erforderlich sind, ist zwar grundsätzlich Sache des FG als Tatsacheninstanz. Gleichwohl ist das FG in seiner Tatsachenwürdigung nicht frei. Der Schluss auf das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltselements muss in jedem Fall den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen entsprechen.

  • Eine Unterhaltsbescheinigung ist daher nur anzuerkennen, wenn sie die Unterhaltsbedürftigkeit konkret belegt, d.h. auch angibt, dass die unterstützte erwachsene Person keine gelegentliche Erwerbstätigkeit aufnehmen konnte.
  • Bei Überbringung von Barbeträgen müssen die Abhebungen mit den Reisedaten des Überbringers (Visaeinträge usw.) und den Empfangsbestätigungen übereinstimmen. Die Zahlungskette muss lückenlos nachgewiesen werden.

Mit dem Nachweis, dass der Unterstützte nicht erwerbstätig sein konnte, stellt der BFH auf die gesetzliche Unterhaltsberechtigung nach Zivilrecht ab. Danach fehlt die Bedürftigkeit, wenn der Unterstützte keiner zumutbaren Erwerbstätigkeit nachgeht. Teilweise wird vertreten, für § 33a Abs. 1 EStG reiche eine potenzielle (abstrakte) Unterhaltsberechtigung aus (z.B. FG Münster vom 20.2.2002, 10 K 7470/00 E, EFG 2002, 911; Glanegger in Schmidt, EStG, 24. Aufl., § 33a Rz. 19, 28).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vo...

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