Unterhaltsaufwendungen an geduldete ukrainische Angehörige

Unterhaltsleistungen an in Deutschland (lediglich) geduldete (= Aussetzung der Abschiebung), nicht unterhaltsberechtigte Angehörige sind weder nach § 33a EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige gemäß § 68 AufenthG gegenüber der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt zu tragen.

Hintergrund: Aufnahme einer ukrainischen Familie

Die Eheleute (Ehemann M, Ehefrau F) nahmen in 2014 (Streitjahr) eine ukrainische Familie auf. M hatte eine entsprechende Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG unterzeichnet (Verpflichtung zur Erstattung der Aufwendungen für den Lebensunterhalt eines Ausländers).

Daraufhin waren die Schwester der F sowie deren Ehemann und Tochter (zunächst zu Besuchszwecken mit einem sog. Schengen-Visum) nach Deutschland eingereist. M und F stellten Wohnräume zur Verfügung und übernahmen die Aufwendungen für Lebensmittel, Versicherungen, Rechtsanwalt und Sprachkurse. Später im Streitjahr erhielten die aufgenommenen Personen den Aufenthaltsstatus "Aussetzung der Abschiebung" (= Duldung) gemäß § 60a AufenthG.

M und F machten für 2014 rund 16.000 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend, die das FA nicht berücksichtigte.

Das FG gab der Klage, mit der die Eheleute die Unterhaltsaufwendungen nur noch in Höhe von 5.000 EUR (Wohnung, Lebensmittel, Versicherungen) geltend machten, statt. Leistungen aufgrund einer Verpflichtung nach § 68 AufenthG seien aus sittlichen Gründen zwangsläufig und damit nach § 33 EStG abziehbar, wenn sich das Land, in das die Unterstützten andernfalls abgeschoben würden, im Kriegszustand befinde.

Entscheidung: Die Aufwendungen sind mangels einer Unterhaltsverpflichtung nicht abziehbar

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Die Aufwendungen sind nicht steuermindernd zu berücksichtigen.

Gesetzliche Regelung

Aufwendungen für Unterhalt oder Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person können bis zur Höhe des Grundfreibetrags (im Streitjahr 2014: 8.354 EUR; ab 2022: 9.984 EUR) im Jahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG).

Unterhaltsverpflichtung nach dem BGB

Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich nach dem Zivilrecht. Danach sind Verwandte in gerader Linie unterhaltsberechtigt, nicht dagegen Verwandte in der Seitenlinie (BFH v. 5.5.2010, VI R 29/09, BStBl II 2011, S. 116). Damit waren die Schwester der F sowie deren Ehemann und Tochter keinem der Eheleute gegenüber zivilrechtlich unterhaltsberechtigt.

Keine Gleichstellung mit unterhaltsberechtigten Personen

Der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person wird eine Person gleichgestellt, wenn bei ihr zum Unterhalt bestimmte öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG).

Das liegt hier nicht vor. Den Angehörigen sind keine zum Unterhalt bestimmte Mittel mit Rücksicht auf etwaige Unterhaltsleistungen der Eheleute gekürzt worden. Denn einem Ausländer stehen trotz einer Verpflichtungserklärung öffentliche Leistungen (nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bzw. nach dem SGB XII oder II) zu, sofern der Verpflichtete nicht für seinen Lebensunterhalt aufkommt. Die Sozialleistungen dürfen nicht unter Verweis auf die Verpflichtungserklärung verweigert werden. Folglich kommt eine Berücksichtigung des Unterhalts nach § 33a Abs. 1 EStG nicht in Betracht.

Die Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG begründet keinen Unterhaltsanspruch

Aus der Verpflichtungserklärung folgt kein gesetzlicher (zivilrechtlicher) Unterhaltsanspruch. § 68 AufenthG begründet keine unmittelbaren Ansprüche des Ausländers gegen denjenigen, der die Verpflichtungserklärung unterzeichnet hat. Der Anspruch nach § 68 AufenthG ist lediglich als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Ausländerbehörde für die verausgabten öffentlichen Mittel ausgestaltet.

Keine Abziehbarkeit aufgrund Verwaltungsregelung

Die Abziehbarkeit ergibt sich auch nicht aus dem BMF-Schreiben v. 27.5.2015, BStBl I 2015, 474. Danach können Aufwendungen für Personen, die eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 AufenthG haben (unabhängig von einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung) berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben hat und sämtliche Kosten des Unterhalts übernimmt. Diese Verwaltungsregelung ist im Streitfall nicht anwendbar. Denn die Schwester der F, ihr Ehemann und deren Tochter verfügten im Streitjahr nicht über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG (Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landesbehörden; Aufnahme bei besonders gelagerten politischen Interessen; Neuansiedlung von Schutzsuchenden), sondern zunächst über ein Schengen-Visum und später (lediglich) über eine Duldung nach § 60a AufenthG (vorübergehende Aussetzung der Abschiebung).

Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Die unterschiedliche Behandlung von Unterhaltszahlungen an Empfänger, die über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG und solche, die (lediglich) über eine Duldung nach § 60a AufenthG oder ein Schengen-Visum verfügen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es handelt sich insoweit um unterschiedliche Sachverhalte.

Keine Berücksichtigung nach § 33 EStG

Eine Berücksichtigung nach dem Grundtatbestand des § 33 EStG scheidet selbst bei Annahme einer sittlichen Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung aus. Denn für die Fallgruppe der (wie im Streitfall) typischen Unterhaltsaufwendungen (hier: Wohnung, Lebensmittel, Versicherungen) enthält § 33a Abs. 4 EStG eine abschließende Regelung. Ein Rückgriff auf § 33 EStG ist nicht möglich (BFH v. 31.3.2021, VI R 2/19, BStBl II 2021, S. 572). § 33a Abs. 4 EStG schließt die Anwendung von § 33 EStG auch dann aus, wenn Aufwendungen für den Unterhalt einer nicht gesetzlich unterhaltsberechtigten Person geltend gemacht werden.

Hinweis: Verhältnis von § 33 und § 33a EStG

Der BFH verdeutlicht, dass § 33a Abs. 4 EStG - entgegen der Auffassung des FG - nicht dahin auszulegen ist, dass immer dann, wenn die Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG nicht vorliegen (z.B. wie im Streitfall wegen fehlender gesetzlicher Unterhaltspflicht) auf den Grundtatbestand des § 33 EStG zurückgegriffen werden kann. § 33a Abs. 4 EStG sperrt vielmehr im Anwendungsbereich des Abs. 1 d.h. für die typischen Unterhaltsaufwendungen und Berufsausbildungskosten, die Berücksichtigung nach § 33 EStG.

BMF-Schreiben v. 17.3.2022

Dieses aktuelle BMF-Schreiben hilft im Streitfall nicht weiter. Zum einen gilt es nur für Maßnahmen, die ab dem 24.2.2022 durchgeführt werden. Zum anderen betrifft es im Wesentlichen nur Spenden (Zuwendungen an bestimmte Einrichtungen) und Sponsoring-Maßnahmen.  

BFH Urteil vom 02.12.2021 - VI R 40/19 (veröffentlicht am 07.04.2022)

Alle am 07.04.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.

Schlagworte zum Thema:  Unterhalt, Familie