Leitsatz

Der Nachweis einer seelischen Behinderung und der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG kann auch durch Einholung eines Gutachtens eines Diplom Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten erfolgen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Kindergeld für ihre Tochter, welche wegen einer Depression unfähig gewesen sei, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Die Familienkasse hatte die Festsetzung des Kindergeldes aufgehoben, da eine Ursächlichkeit einer (möglichen) Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt nicht durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachgewiesen werden könne. Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, dass sich die Tochter wegen der Depressionen nicht in fachärztliche Behandlung begeben habe, hat das FG ein Gutachten eines Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten eingeholt. Mit diesem Gutachten wurde die Unfähigkeit der Tochter zum Selbstunterhalt bescheinigt.

 

Entscheidung

Das FG hat der Klage stattgegeben. Es vertritt die Auffassung, dass der Nachweis einer seelischen Behinderung und der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Diplom Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten erfolgen könne. Dass es sich bei diesem Sachverständigen nicht um einen Arzt handele, könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Auch ein solcher Sachverständige weise die erforderlichen Kenntnisse auf, sodass der Nachweis nicht nur durch die in der Rechtsprechung bisher benannten Möglichkeiten (eines Schwerbehindertenausweises oder Bescheinigung eines Arztes), sondern auch durch ein Gutachten eines Psychologischen Psychotherapeuten möglich sei. Deren Ausbildung umfasse gerade auch die Diagnostik und Differentialdiagnostik einschließlich Testverfahren zur Abgrenzung verschiedener Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert sei. Die Tochter sei nach Überzeugung des FG seelisch behindert, denn sie sei infolge der seelischen Störung und deren Breite, Tiefe und Dauer in ihrer Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt.

 

Hinweis

Die vom FG gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassene Revision wurde eingelegt, Az beim BFH III R 9/23. Betroffene sollten in gleichgelagerten Fällen die ablehnenden Bescheide der FK durch einen Einspruch offen halt. Das Verfahren ruht dann kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 AO.

 

Link zur Entscheidung

FG Hamburg, Urteil v. 23.02.2023, 5 K 191/19

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