Rn. 85

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Sind die Voraussetzung für die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs 1 oder 2 EStG nicht gegeben, erlässt das zuständige FA einen Ablehnungsbescheid. Hiergegen steht dem Leistenden der Rechtsbehelf des Einspruchs zu (Tz 38 BMF BStBl I 2022, 1229). Nach erfolglosem Einspruchsverfahren steht dem Leistenden der Klageweg offen.

 

Rn. 86

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Da die Zeit häufig drängt, ist der vorläufige Rechtsschutz von besonderer Bedeutung. Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 AO bzw § 69 FGO kommt nicht in Betracht, weil es sich bei der Versagung einer Freistellungsbescheinigung nicht um einen vollziehbaren VA handelt (OFD Münster v 11.12.2001, S 2303–2-St 13–31, EStG-Kartei NW §§ 4848d EStG Nr 3000).

Der Leistende kann einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO stellen. Er begehrt in diesen Fällen eine Regelungsanordnung gemäß § 114 Abs 1 S 2 FGO, die auf eine vorläufige Regelung des streitigen Rechtsverhältnisses zwischen dem Leistenden und dem FA abzielt. Die Problematik einer solchen Regelungsanordnung besteht darin, dass mit ihr die Hauptsache zu Gunsten des Antragstellers vorweggenommen wird (vgl BFH I B 246/93, BStBl II 1994, 899). Deshalb kann ein Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz nur dann Erfolg haben, wenn es wahrscheinlich ist, dass in dem Hauptsacheverfahren zu Gunsten des Antragstellers entschieden wird und der Anordnungsgrund eine besondere Intensität aufweist, mithin die Regelungsanordnung zur Gewährung von effektivem Rechtsschutz unumgänglich ist, weil deren Versagung für den Antragsteller unerträgliche Folgen hätte (vgl BFH I B 86/02, BFH/NV 2003, 166; BFH I B 147/02, BStBl II 2003, 716; FG Münster v 02.08.2002, 2 V 1006/02 E; FG Ha v 06.03.2003, II 47/03, DStRE 2003, 928). Dies ist dann der Fall, wenn der Betrieb des Leistenden ausschließlich oder fast ausschließlich für Leistungsempfänger tätig wird, die zum Steuerabzug gemäß § 48 Abs 1 S 1 EStG verpflichtet sind und die ihre Aufträge erst nach Vorlage einer Freistellungsbescheinigung vergeben oder ohne Vorlage einer Freistellungsbescheinigung stornieren (vgl FG Bln v 21.12.2001, 8 B 8408/01, EFG 2002, 330).

Die Darlegungsanforderungen sind hoch. Es bedarf näherer Angaben zur Kundenstruktur, damit beurteilt werden kann, in welchem Umfang der Betrieb von Leistungsempfängern abhängig ist, die zum Steuerabzug verpflichtet sind. Der Antragsteller muss außerdem glaubhaft machen, dass seine wirtschaftliche Existenz gefährdet ist. Dazu müssen seine wirtschaftlichen Verhältnisse offenbart werden. Außerdem muss dargelegt werden, dass das wirtschaftliche Überleben gerade deshalb gefährdet ist, weil die Freistellungsbescheinigung versagt worden ist (Kausalität). Anhand konkreter Anhaltspunkte oder konkreter Erfahrungen muss der Nachweis geführt werden, dass die Akquisition von Aufträgen ohne Bescheinigung regelmäßig erfolglos bleiben wird. Schließlich muss dargelegt werden, dass der sofortige Erlass der begehrten Freistellungsbescheinigung unerlässlich ist, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern (BFH I B 132/02, BFH/NV 2003, 313; BFH I B 86/02, BFH/NV 2003, 166; FG Nds v 29.07.2002, 10 V 118/02, EFG 2002, 1613; großzügiger: FG Nds v 18.04.2002, 6 V 55/02, EFG 2002, 842; FG Sa v 22.02.2005, 2 V 429/04). Nicht ausreichend ist, wenn der Antragsteller vorträgt, dass ihm Wettbewerbsnachteile drohen oder dass er einzelne Aufträge nicht erhalten hat (BFH I B 86/02, BFH/NV 2003, 166; zum Ganzen auch Fuhrmann, KÖSDI 2003, 13 771).

 

Rn. 87

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Wird eine Freistellungsbescheinigung im Wege einer einstweiligen Anordnung erteilt, handelt es sich nur um eine vorläufige Maßnahme. Die Erteilung einer nur vorübergehend wirksamen Freistellungsbescheinigung ist aber nicht zielführend, weil kein Leistungsempfänger eine Freistellungsbescheinigung akzeptieren wird, die im Falle der Erfolglosigkeit des Hauptsacheverfahrens rückwirkend wieder entfällt. Deshalb bietet sich die Erteilung einer zwar endgültigen Freistellungsbescheinigung an, die aber entweder auftragsbezogen oder nur für einen kurzen Zeitraum befristet wirkt und ggf mit einer Sicherheitsleistung verbunden ist (vgl FG Bln v 21.12.2001, 8 B 8408/01, EFG 2002, 330: Befristung auf neun Monate; ebenso: FG Nds v 18.04.2002, 6 V 55/02, EFG 2002, 842, aber aufgehoben durch BFH I B 86/02, BFH/NV 2003, 166).

 

Rn. 88

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Die Höhe des Streitwerts für den vorläufigen Rechtsschutz ist umstritten (FG Ha v 15.07.2003, II 47/03: voller Ansatz des Streitwerts der Hauptsache; aA FG Sa v 10.06.2005, 2 V 429/04, EFG 2005, 1803: Auffangwert iHv 5 000 EUR; vgl auch: FG Sachsen v 06.10.2003, 7 K 1693/02, EFG 2004, 61 in einem Hauptsacheverfahren auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung: 10 % des Steuerabzugsbetrags).

 

Rn. 89

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

vorläufig frei

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