Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, EStG § 42d ... / d) Anwendung eines durchschnittlichen Steuersatzes?

Rn. 59

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Der BFH BStBl II 1994, 536 hat mE zu Recht entschieden, dass auch immer dann, wenn das FA in einem Haftungsbescheid vom ArbG LSt wegen Zuwendungen von Arbeitslohn in einer Vielzahl von Fällen nachfordert, es die Höhe der LSt grundsätzlich individuell zu ermitteln hat (nach § 38a EStG). Es darf die LSt-Höhe nur dann mit einem durchschnittlichen Steuersatz schätzen, wenn entweder die Voraussetzungen des § 162 AO für eine Schätzung vorliegen oder der ArbG mit der Berechnung der Haftungsschuld mit einem durchschnittlichen Steuersatz einverstanden ist. Somit darf bei ordnungsgemäß geführten Lohnkonten die nachzuerhebende LSt nicht bereits deshalb in Anlehnung an § 40 Abs 1 EStG mit einem durchschnittlichen Steuersatz geschätzt werden, weil die individuelle Ermittlung für das FA zeitaufwendig ist.

Liegt eine Schätzungsbefugnis vor, so kann das FA die LSt mit Hilfe des Mindeststeuersatzes der Steuerklasse VI ermitteln (vgl FG Mchn v 01.04.2010, 8 V 3819/09; FG Mchn v 07.06.2013, 8 K 2826/10; FG Sachsen v 24.02.2010, 8 K 203/09; FG Nds v 16.06.2011, 11 K 243/10 nv). Überdies ergibt sich die Anwendung der LSt-Klasse VI aus § 39c Abs 1 S 1 EStG. Danach hat der ArbG die LSt bei fehlenden Angaben nach der LSt-Klasse VI zu ermitteln. Dies gilt auch für Haftungsbescheide (BFH BStBl II 2003, 151; BFH/NV 2009, 1809; FG Thüringen v 26.09.2017, 2 K 264/13). Dies gilt mE auch nach Ablauf des Kj (BFH BStBl II 2003, 151; aA Krüger in Schmidt, § 39c Rz 2, 40. Aufl; auch s Rn 31).

Folgende Mindeststeuersätze gelten für die letzten Jahre (s § 39b Abs 2 S 7 EStG bzw § 39b Abs 2 S 7 EStG aF):

• 19,9 % (2001–2003),
• 18 % (2004),
• 15 % (2005–2008) und
• 14 % (seit 2009).

Nach der Rspr des BFH ist die der Haftung nach § 42d Abs 1 Nr 1 EStG zugrunde gelegte LSt auch dann nach der Steuerklasse VI zu bemessen, wenn weder eine LSt-Karte vorgelegt worden ist noch der ArbG überhaupt eine Lohnversteuerung vorgenommen hat (BFH BStBl II 2003, 151; BFH/NV 2009, 1809; 2012, 1961; FG Mchn v 07.06.2013, 8 K 2826/10).