Rn. 40

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Die Rspr hat Grundsätze dazu entwickelt, wann die Inanspruchnahme des ArbG ermessensfehlerhaft oder ermessensfehlerfrei ist (s auch H 42d.1 LStH 2021 "Ermessensausübung"). Danach kann eine Inanspruchnahme des ArbG nicht in Betracht kommen, wenn zB

  • der ArbG eine bestimmte Methode der Steuerberechnung angewendet und das FA hiervon Kenntnis erlangt und diese Methode nicht beanstandet hat (BFH BStBl III 1963, 23);
  • der ArbG einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen ist, weil das FA eine unklare oder falsche Auskunft gegeben hat oder sonst die Ursache für den Rechtsirrtum in der Sphäre der FinVerw lag (s BFH BStBl III 1962, 37; BStBl II 1992, 696; 2006, 30; 2008, 933; FG Sa v 03.12.2014, 2 K 1088/12, rkr; FG BdW EFG 1980, 342 rkr; FG Thüringen v 26.09.2017, 2 K 264/13, rkr);
  • der ArbG den Angaben in einem Manteltarifvertrag über die Steuerfreiheit vertraut hat (BFH BStBl II 1981, 801);
  • der ArbG den individuellen LSt-Abzug ohne Berücksichtigung von Gesetzesänderungen durchgeführt hat, soweit es ihm in der kurzen Zeit zwischen der Verkündung des Gesetzes und den folgenden Lohnabrechnungen bei Anwendung eines strengen Maßstabs nicht zumutbar war, die Gesetzesänderungen zu berücksichtigen;
  • der ArbG auf die tarifvertraglichen Regelungen von Auslösungen vertraut hat (BFH BFH/NV 1986, 372);
  • die Pflichtverletzung nicht im Zusammenhang mit der Abführung, sondern mit der Einbehaltung der LSt steht, und wenn den ArbG dabei nur ein geringfügiges Verschulden trifft (BFH BStBl II 1972, 364);
  • der ArbG den LSt-Abzug entsprechend der von der FinVerw in einer Verfügung geäußerten Auffassung durchgeführt hat, auch wenn er die Verfügung nicht kannte (BFH BStBl II 1986, 1998); das gilt aber nicht, wenn dem ArbG bekannt war, dass das für ihn zuständige Betriebsstätten-FA eine andere Auffassung vertritt;
  • der ArbG durch Prüfung und Erörterung einer Rechtsfrage durch das FA in einer unrichtigen Rechtsauslegung bestärkt wurde (BFH BStBl III 1965, 355);
  • die LSt ebenso schnell und einfach vom ArbN nacherhoben werden kann, weil zB der ArbN ohnehin zu veranlagen ist (BFH BStBl III 1967, 331; BStBl II 1968, 324); das gilt insbesondere dann, wenn der ArbN inzwischen aus dem Betrieb ausgeschieden ist (BFH BStBl III 1964, 213);
  • der ArbN selbst als verantwortlicher Angestellter des ArbG die Abführung der LSt absichtlich unterlassen hat (RFH RStBl 1929, 142; 1930, 486; 1938, 468);
  • die Verpflichtung zur Abführung von LSt durch den ArbG rechtlich zweifelhaft ist (BFH BStBl III 1957, 116);
  • der Sachverhalt nicht vollumfänglich ermittelt wurde (s BFH BFH/NV 1997, 386; FG Ha v 04.03.2014, 3 K 175/13);
  • der ArbG entsprechend einer Billigkeitsregelung der FinBeh LSt materiell unzutreffend einbehält (s BFH BStBl II 2014, 340; H 42d.1 LStH 2021 "Ermessensausübung").

Nach hM kann ein entschuldbarer Rechts- oder Tatsachenirrtum nur dazu führen, dass das FA von einer Inanspruchnahme des ArbG iRd Ermessensentscheidung des § 42d Abs 3 S 2 EStG wegen Unbilligkeit absieht.

 

Rn. 41

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Die Inanspruchnahme des ArbG ist in aller Regel ermessensfehlerfrei, wenn

  • bei einer LSt-Nachforderung mehr als 40 ArbN betroffen sind (BFH BStBl II 1992, 696; FG He v 21.3.2018, 6 K 1655/17; FG BBg EFG 2018, 190);
  • die Einbehaltung der LSt in einem rechtlich einfach und eindeutig liegenden Fall nur deshalb unterblieben ist, weil der ArbG sich über seine Verpflichtung nicht hinreichend unterrichtet hat (BFH BStBl II 1971, 353);
  • wenn sie der Vereinfachung dient, weil gleiche oder ähnliche Berechnungsfehler bei einer größeren Zahl von ArbN gemacht worden sind (BFH BStBl III 1962, 282; BStBl II 1980, 289; FG Mchn v 01.04.2010, 8 V 3819/09);
  • der ArbG den LSt-Abzug bewusst oder leichtfertig versäumt hat (BFH BStBl III 1967, 469);
  • der ArbG eine vorsätzliche Steuerhinterziehung begangen hat (FG Ha v 18.12.2015, 2 K 281/14; FG BBg EFG 2018, 190);
  • das FA aufgrund einer fehlerhaften Unterlassung des ArbG aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, den ArbN als Schuldner der LSt heranzuziehen (BFH BStBl II 1985, 164 betreffend Essensfreibetrag);
  • die individuelle Ermittlung der LSt schwierig ist, der ArbG gegen die Höhe des Steuersatzes keine Einwendungen erhoben hat und von vornherein nicht beabsichtigt, die LSt von dem ArbN nachzufordern (BFH BStBl II 1985, 170; 1986, 681); in diesen und vergleichbaren Fällen kann die nachzufordernde LSt unter Anwendung eines durchschnittlichen Bruttosteuersatzes – ggf im Schätzungswege – ermittelt werden, vgl BFH BStBl II 1986, 681; 1994, 197. Zahlt der ArbG als Haftungsschuldner die nachgeforderte LSt, ohne dafür bei den ArbN Regress zu nehmen, fließt den ArbN mit der Zahlung ein Vorteil zu, der dem LSt-Abzug unterliegt;
  • der ArbG mangels entsprechender Aufzeichnungen nicht in der Lage ist, die begünstigten ArbN und die von ihnen erlangten Vorteile festzustellen (BFH BStBl II 1985, 164);
  • eine Inanspruchnahme der ArbN nicht möglich ist, weil diese sich im Ausland befinden (BFH BStBl II 1997, 306; BFH/NV 2...

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