a) Allgemeines

 

Rn. 65

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Soweit das FA die Steuerschuld gegenüber dem Steuerschuldner, idR dem ArbN – bei LSt-Pauschalierung dem ArbG, § 40 Abs 3 EStG –, geltend macht, erlässt es einen sog Nachforderungsbescheid. Zwar ist der von § 223 RAO herrührende Begriff der Nachforderung der AO 1977 fremd, doch muss der Nachforderungsbescheid gemäß § 155 AO als Steuerbescheid betrachtet werden, weil er über eine Steuerforderung ergeht (BFH BStBl II 1983, 472).

Ist der ArbG mit der Nacherhebung von LSt nicht einverstanden, kommt nur ein Haftungsbescheid, s Rn 55 ff, in Betracht.

b) Zuständigkeit

 

Rn. 66

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Für den Nachforderungsbescheid zuständig ist – sofern ArbG und ArbN Gesamtschuldner iSd § 42d Abs 3 S 1 EStG sind – das Betriebsstätten-FA des ArbG (vgl BFH BStBl II 1992, 43). Dieser Zuständigkeitsregelung des § 42d Abs 3 S 1 EStG liegt die Erwägung zugrunde, dass die Ermessensausübung, welcher Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden soll, nur von einem FA getroffen werden kann. Ansonsten kann mit H 41c.3 LStH 2021 "Zuständigkeit" davon ausgegangen werden, dass das Wohnsitz-FA des ArbN das zuständige FA ist, weil dort die für dessen Besteuerung notwendigen Unterlagen aufbewahrt werden.

c) Form und Inhalt

 

Rn. 67

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Gemäß § 157 AO ergeht der Nachforderungsbescheid schriftlich. Er muss die festgesetzte Steuer nach Art und Höhe bezeichnen und den Steuerschuldner angeben.

Eine derartige Steuerfestsetzung liegt nicht vor, wenn der pauschalierte LSt-Betrag mit dem LSt-Haftungsbetrag zusammengerechnet und die Summe beider Beträge als Haftungsschuld vom ArbG gefordert wird (BFH BStBl II 1983, 472; 1984, 362).

Zum gleichzeitigen Ergehen mit einem Haftungsbescheid s Rn 73.

d) Anerkenntnis

 

Rn. 68

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Ein Haftungsbescheid ist entbehrlich, wenn der ArbG nach Abschluss einer LSt-Außenprüfung seine Zahlungsverpflichtung schriftlich anerkennt, s § 42d Abs 4 Nr 2 EStG. Hier liegt – ebenso wie bei § 42d Abs 4 Nr 1 EStG – der Gedanke zugrunde, bei fehlendem Streit über die Zahlungspflicht das finanzamtliche Verfahren durch Absehen vom Erlass eines schriftlichen Haftungsbescheids zu entlasten (s BFH BStBl II 1987, 198). Das Anerkenntnis gilt gemäß 167 Abs 1 S 3 AO als Steueranmeldung und hat damit die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 S 1 AO). Das Anerkenntnis ist also VA und keine "tatsächliche Verständigung" (so auch Mösbauer, FR 1995, 893; aA Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, 122; weitere Literatur s Rn 62). Der ArbG kann somit gegen die Anmeldung Einspruch einlegen und Einwendungen erheben (s auch Wagner in Brandis/Heuermann, § 42d EStG Rz 170, November 2019). Aus dem Anerkenntnis kann auch vollstreckt werden; bei Zahlungsverweigerung des ArbG bedarf es nicht mehr eines Haftungsbescheides.

Durch die nach einer LSt-Außenprüfung ergehenden Bescheide (Haftungs-, Pauschalierungsbescheid, LSt-Anmeldung, Anerkenntnis) wird vermieden, dass die früheren LSt-Anmeldungen einzeln geändert werden müssen. Die Bescheide nach LSt-Außenprüfungen enthalten nur punktuelle Berichtigungen der früheren LSt-Anmeldungen in einem Bescheid, sodass auch nur über diese Sachkomplexe gestritten werden kann, s auch Thomas, DStR 1992, 843.

e) Zustellung

 

Rn. 69

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Einem Minderjährigen wird der LSt-Nachforderungsbescheid dadurch wirksam zugestellt, dass er einem Elternteil zugeht (BFH BStBl II 1974, 640).

f) Nachforderungsfälle

 

Rn. 70

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Eine Übersicht, wann die LSt nachzufordern ist, findet sich in H 41c.3 LStH 2021 "Einzelfälle". Zu nennen sind insbesondere die Tatbestände der §§ 38 Abs 4, 39 Abs 4, 39a Abs 5 EStG und § 41c Abs 4 EStG.

 

Rn. 71

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Übernimmt der ArbG nach einer LSt-Außenprüfung die nachgeforderte LSt, so stellt sich die Frage, ob die Haftungsschuld mit dem Bruttosteuersatz oder mit dem höheren Nettosteuersatz zu berechnen ist. In Abänderung seiner Rspr hat der BFH entschieden (s BFH BStBl II 1994, 197), dass der ArbG für die von den ArbN geschuldete LSt mit dem niedrigeren Bruttosteuersatz und nicht mit dem Nettosteuersatz haftet, wenn feststeht, dass er wegen des Fehlens von Aufzeichnungen bei seinen ArbN keinen Regress wird nehmen können (Änderung zu BFH BStBl II 1985, 164). Der BFH begründet die Anwendung des Bruttosteuersatzes damit, dass nur die tatsächliche Zahlung der Haftungsschuld zu einem (weiteren) geldwerten Vorteil für die ArbN führen kann. Er stellt fest, dass erst die Zahlung des ArbG zum Erlöschen der Steuerschuld des ArbN gegenüber dem FA führt (§§ 44, 47 AO) und damit auch dann erst ein geldwerter Vorteil iSd § 19 EStG gegeben sein kann. Nur wenn von vornherein eine Nettolohnvereinbarung getroffen ist, darf der Nettosteuersatz angewendet werden. Der ausgezahlte Betrag wird auf einen Bruttobetrag hochgerechnet (BFH BFH/NV 2005, 2046; BStBl II 1992, 441; s auch R 39b.9 LStR 2015).

Ist eine derartige Vereinbarung nicht getroffen worden, muss das FA zunächst abwarten, ob der ArbG bei seinen ArbN Regress nimmt und hat dann zu prüfen, ob ...

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