Abzug gezahlter Kirchensteuer

Erstattet der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs die für ihn an das Finanzamt im Rahmen der Haftung nach § 42d EStG gezahlten Lohnkirchensteuern, handelt es sich nicht um Werbungskosten, da der hierfür erforderliche objektive Zusammenhang mit dem Beruf fehlt. Die an den Arbeitgeber geleistete Erstattung ist jedoch als Sonderausgabe abziehbar.

Hintergrund: Gesetzliche Regelungen

Werbungskosten sind Aufwendungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus erfasst der Werbungskostenbegriff alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst werden. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Für den objektiven Zusammenhang mit dem Beruf ist wiederum zum einen die – wertende – Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments" und zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre maßgeblich.

Aufwendungen für gezahlte Kirchensteuer sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG Sonderausgaben, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden.

Sachverhalt: Kann der Arbeitnehmer, der seinem als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Arbeitgeber im Wege des Rückgriffs die auf ihn entfallende Kirchensteuer erstattet, diese im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung geltend machen?

Der Kläger erzielte als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung kam es u.a. zu einer Nacherhebung von Lohn- und Kirchensteuer für eine Sachzuwendung. Das Finanzamt (FA) nahm die GmbH als Arbeitgeberin des Klägers gemäß § 42d EStG in Haftung. Die GmbH nahm wiederum den Kläger in Regress, der daraufhin u.a. die Kirchensteuer an die GmbH zahlte. Diese Kirchensteuerzahlung machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung als Sonderausgaben geltend.

Das FA ließ den Kirchensteuerbetrag bei der Einkommensteuerfestsetz unberücksichtigt.

Sowohl der gegen die Festsetzung eingelegte Einspruch als auch die gegen die Einspruchsentscheidung eingereichte Klage blieben, insbesondere mit dem Hinweis, dass der Kläger eine Zahlung auf seine persönliche Kirchensteuerschuld nicht geleistet, sondern allein den Rückforderungsbetrag an die GmbH als Folge eines zivilrechtlichen Anspruchs gezahlt habe, erfolglos.

Entscheidung: Gezahlte Kirchensteuer keine Werbungskosten aber Sonderausgaben

Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben.

Kein Abzug als Werbungskosten

Anders als im Fall der Haftungsinanspruchnahme eines Arbeitnehmers durch das FA gemäß §§ 69, 34 AO reicht es für einen Abzug der gezahlten Lohnkirchensteuer als Werbungskosten nicht aus, dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die aufgrund eines Anspruchs nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO, § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB geleistete Haftungssumme erstattet.

Aufwendungen eines angestellten Geschäftsführers zur Tilgung von Haftungsschulden können Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sein, soweit die Haftung auf nicht abgeführter Lohn- bzw. Lohnkirchensteuer beruht, die auf den Arbeitslohn des Geschäftsführers entfällt. Gleiches wird insoweit für die im Rahmen einer Haftungsinanspruchnahme gezahlte Lohnkirchensteuer gelten.

Entscheidend ist jedoch in beiden Fällen, dass diese Zahlungen auf der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers gemäß §§ 69, 34 AO für vom Arbeitgeber angemeldete, aber nicht abgeführte Lohn(kirchen)steuer beruhen.

Dies kann der Fall sein, wenn dem Arbeitnehmer eine berufliche Pflichtverletzung zur Last gelegt wird, aufgrund derer er als Haftender in Anspruch genommen wird und diese Steuern zahlen muss.

Erstattung der Steuer aufgrund zivilrechtlichen Anspruchs des Arbeitgebers

Sofern der Steuerpflichtige dagegen lediglich im Rahmen eines zivilrechtlichen Rückgriffs seinem Arbeitgeber die von diesem gezahlte Lohnkirchensteuer erstattet, kommt er allein dem im Arbeitsverhältnis begründeten zivilrechtlichen Anspruch des Arbeitgebers nach und begleicht seine persönliche Steuerschuld. Ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht in einem solchen Fall nicht. Auslöser für die Zahlung bleibt die vorangegangene Begleichung der persönlichen Kirchensteuer des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber. Der Steuerpflichtige erstattet lediglich seinem Arbeitgeber die von diesem für ihn bereits abgeführte Lohnkirchensteuer.

Die Aufwendungen des Klägers zur Tilgung der Regressforderungen der GmbH sind somit keine Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Es fehlt an dem für einen Werbungskostenabzug erforderlichen objektiven Zusammenhang mit dem Beruf, weil er nicht in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH in Haftung genommen worden ist.

Der Kläger als Schuldner der Lohnkirchensteuer hat dem Arbeitgeber die auf ihn entfallenden Kirchensteuern erstattet und für die nötige nachträgliche Deckung gesorgt. Er war hierzu als Gesamtschuldner nach § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. dem Kirchensteuergesetz verpflichtet, soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht (§ 44 Abs. 1 AO).

Zahlt der Arbeitgeber aufgrund seiner Haftung die Lohnkirchensteuer, erfüllt er eine fremde Schuld, da grundsätzlich allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung bleibt. Im Innenverhältnis hat jedoch der Arbeitnehmer als Schuldner dem Arbeitgeber diesen Betrag zu erstatten, unabhängig von einem evtl. bestehenden Mitverschulden des Arbeitgebers gem. § 254 BGB. Er zahlt mithin als Arbeitnehmer, wenn auch an die GmbH als Arbeitgeberin, seine persönliche Kirchensteuer.

Abzug als Sonderausgaben

Der Kläger kann die von ihm an die GmbH gezahlte Kirchensteuer jedoch nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgaben abziehen.

Obwohl die gezahlte Kirchensteuer privat veranlasst ist, gehört sie nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu den Sonderausgaben. Abzugsfähig ist derjenige, der seine eigene Kirchensteuerschuld tatsächlich gezahlt hat. Dabei ist es nicht entscheidend, ob er sie selbst gezahlt hat, ob sie von seinem Arbeitgeber im Wege des Steuerabzugs einbehalten worden ist oder ob er sie – wie im Streitfall – im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs seinem Arbeitgeber erstattet.

Wird die Zahlung von einer anderen Person als dem schuldrechtlich Verpflichteten geleistet, ist der Schuldner mangels eigener Aufwendungen nicht wirtschaftlich belastet, sodass ihm der Sonderausgabenabzug nicht zusteht.

Hinweis: Fortsetzung des Abzugsverfahrens

Wird die Lohnkirchensteuer im Wege des Steuerabzugs einbehalten, ist der Arbeitnehmer tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet, sodass ein Abzug als Sonderausgaben möglich ist. Dies gilt auch im Fall der Erstattung der Lohnkirchensteuer an den Arbeitgeber, wenn dieser aufgrund es § 42d Abs. 3 EStG für diese in Haftung genommen wurde. Die Zahlung des Arbeitgebers führt zur Anrechnung der Lohnkirchensteuer auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStG, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber als Abzugsverpflichteter durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen wird. Die Inanspruchnahme wird als Fortsetzung des Abzugsverfahrens angesehen.

Die Zahlung des Klägers an die GmbH belastet ihn wirtschaftlich. Sie stellt auch rechtlich die Zahlung seiner persönlichen Kirchensteuerschuld dar. Entsprechend sind die Aufwendungen als Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen.

BFH, Urteil v. 23.8.2023, X R 16/21; veröffentlicht am 16.11.2023

Alle am 16.11.2023 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen





Schlagworte zum Thema:  Kirchensteuer, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Haftung