Rn. 411

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Grundprinzip vorsichtiger bilanzieller Gewinnermittlung: Eine gläubigerschutzorientierte Gewinnermittlung ist an das Vorsichtsprinzip gebunden (Moxter, StuW 1983, 304; Beisse, StuW 1984, 7; Beisse, BFuP 1990, 500f). Für eine leistungsfähigskeitsabbildende steuerliche Gewinnermittlung gilt dies gleichermaßen. Das deutsche Bilanzrecht prägende Vorsichtsprinzip wird durch das Realisationsprinzip "in wichtigen Teilen konkretisiert" (Moxter, StuW 1983, 304), indem die Periodisierung von Einnahmen und Ausgaben "grundlegend durch das Realisationsprinzip bestimmt" (Moxter in FS Havermann, 1995, 497) und der Gewinnrealisationszeitpunkt objektivierend an den Umsatzakt und damit den Risikoabbau geknüpft wird (Wüstemann/Wüstemann/Müller, HdJ IV, Rz 5 (September 2019)).

Anschaffungs-/Herstellungskostenprinzip: Aus dem Gebot, Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (§ 252 Abs 1 Nr 4 Hs 2 HGB), ist für den Zugangszeitpunkt zunächst abzuleiten, dass Anschaffungs-/Herstellungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln sind (vgl Pezzer, DStJG 14, 22 (1991). Das Realisationsprinzip umfasst damit implizit Bewertungsanordnungen für den Zugangszeitpunkt von Vermögensgegenständen und bildet die Basis des in § 253 Abs 1 S 1 HGB kodifizierten Anschaffungs-/Herstellungskostenprinzips (Baetge/Ziesemer/Schmidt in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 252 HGB Rz 182 (Oktober 2011)). Das Realisationsprinzip gebietet die Anwendung des Grundsatzes erfolgsneutraler Behandlung von Anschaffungsvorgängen handels- ebenso wie steuerrechtlich auch auf übernommene ("erworbene") Passivpositionen (BFH vom 14.12.2011, I R 72/10, BStBl II 2017, 1226).

Der Ausweis eines "Erwerbsgewinns" ist mit dem Realisationsprinzip einschließlich Anschaffungs-/Herstellungskostenverständnis nicht vereinbar. Hierüber setzt sich § 5 Abs 7 EStG für die Verpflichtungsübernahme unter Hebung stiller Lasten GoB-widrig hinweg (s Rn 1470 ff, 1482).

Wertsprung zum Absatzmarkt: Das Anschaffungs-/Herstellungskostenprinzip dominiert das Realisationsgeschehen, dh verhindert eine Realisation, bis etwaige Wertsteigerungen durch den Absatzmarkt bestätigt wurden. Der Zeitpunkt des Wertsprungs am Absatzmarkt bestimmt den Realisationszeitpunkt (Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 248 (7. Aufl 1987)). Hinter dem für eine Realisation erforderlichen "Umsatzakt am Markt" steht das Bedürfnis einer objektivierten Wertermittlung und damit einer vorsichtigen Gewinnermittlung (Kropff, ZGR 1993, 55). Mit erfolgtem Umsatzakt wird die am Markt durch die Interessengegensätze von Verkäufer und Käufer wertbestätigte und damit objektivierte Differenz zwischen erzielter Gegenleistung (zB Kaufpreis) und (fortgeführten) AK/HK als sicher und damit realisiert angesehen. Bilanzpolitisch motivierte Rechtsgeschäfte sind gleichwohl vielfach mit dem Problem behaftet, dass sie den zur Wertbestätigung am Markt führenden Interessengegensatz der Parteien abschwächen (Kropff, ZGR 1993, 55). Der Zeitpunkt des Wertsprungs zum Absatzmarkt als Realisationszeitpunkt ist für die verschiedenen Realisationstatbestände und deren Ausprägungen zu konkretisieren. Wesentliche Fallgruppen sind Veräußerungsgeschäfte (unbedingte s Rn 421 ff, aufschiebend/auflösend bedingte s Rn 431 ff, mit Preisanpassungsklauseln s Rn 446 ff), Tausch s Rn 455 ff, Werkverträge s Rn 456 ff, Sachdarlehen, s Rn 419, 1355ff.

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