Rn. 455

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Abgrenzung: Tausch iSd § 480 BGB ist ein gegenseitiger Vertrag über die Übertragung eines Sachwerts gegen einen anderen Sachwert (oder Erbringung einer Dienstleistung). Kennzeichnend ist das Fehlen eines Kaufpreises in Geld. Die Aufwendungen für die Anschaffung eines WG bestehen nicht in einem Kaufpreis (Zahlungsanspruch), sondern in der Hingabe eines anderen WG/Erbringung einer Dienstleistung. Die Hingabe eines WG an Erfüllungs statt ist wie ein Tausch zu behandeln (BFH vom 11.10.1960, I 175/60 U, BStBl III 1960, 492; BFH vom 16.06.2020, VIII R 9/18, BStBl II 2020, 845 zur Inzahlunggabe eines Pkw des BV im Rahmen einer Pkw-Neuanschaffung). Da virtuelle Währungen (Kryptowährungen) in Deutschland nicht den Status einer gesetzlichen Währung haben (Richtlinie (EU) 2018/843 vom 30.05.2018, ABl 156 vom 19.06.2018, 43; BMF vom 10.05.2022, BStBl I 2022, 668 Rz 1), ist der Erhalt von Waren/Dienstleistungen gegen Hingabe von Kryptowährungen ein Anwendungsfall des Tauschs (BFH vom 14.02.2023, IX R 3/22, BStBl II 2023, 571 zu § 23 EStG).

Tauschgeschäfte sind nicht auf zwei Parteien beschränkt, sondern können sich auch zwischen mehr als zwei Parteien vollziehen (BFH vom 02.04.2008, IX R 18/06, BStBl II 2008, 679), einschließlich Dreieckstausch oder erweiterter Fälle des Ringtauschs.

Abzugrenzen vom Tausch ist der Doppelkauf als gegenseitige Lieferung gegen Geld ggf mit Aufrechnungsabreden. Für den Doppelkauf gelten die für die einfache unbedingte Veräußerung dargelegten Grundsätze, es sei denn, die Doppelkaufvereinbarung soll einen Tausch verdecken (um durch wechselseitig zu hohe/zu niedrige Kaufpreisvereinbarungen AK/Veräußerungsgewinne in die jeweils gewünschte Richtung zu beeinflussen (vgl Krumm in Brandis/Heuermann, § 6 EStG Rz 1960 (Mai 2023)).

 

Rn. 455a

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Zurechnungswechsel: Marktoffenbare Vorgänge wie der Tausch sind als veräußerungsähnlich zu qualifizieren (zB BFH vom 02.05.2000, IX R 73/98, BStBl II 2000, 641; BFH vom 27.06.2006, IX R 47/04, BStBl II 2007, 162). Das Fehlen einer Gegenleistung in Geld hindert bei Hingabe des zu tauschenden WG nicht den Verlust des rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums hieran; entsprechend der Doppelnatur des Tauschs als Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäft führt der Tausch von WG vielmehr zu einem doppelten Zurechnungswechsel.

Ob der insoweit erforderliche wirtschaftliche Eigentumsübergang erfolgt ist, bestimmt sich nach den WG-spezifischen allgemeinen Grundsätzen (s Rn 416 ff). Das hingetauschte WG ist auszubuchen, das erhaltene WG einzubuchen. Dies gilt auch bei Art-, Wert- und Funktionsgleichheit der WG; bezogen auf das nämliche hingegebene WG sind die Tauschparteien jeweils nicht mehr in der Lage, den jeweils anderen von der Einwirkung in irgendeiner Form auszuschließen. In den Anordnungen des § 6 Abs 6 EStG bzgl der Höhe der AK des erhaltenen WG liegt zugleich eine Bestätigung des (vorangehenden) Zurechnungswechsels.

 

Rn. 455b

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Gewinnrealisation: Im Handelsrecht besteht bei Tausch- oder tauschähnlichen Vorgängen von Vermögensgegenständen des AV nach hM ein Wahlrecht, den eingetauschten Vermögensgegenstand erfolgsneutral mit dem Buchwert oder erfolgswirksam mit dem Zeitwert des hingegebenen Vermögensgegenstands (maximal zum Zeitwert des erhaltenen Vermögensgegenstands) anzusetzen (ADS, § 255 HGB Rz 89f (1995); Schubert/Hutzler in Beck'scher Bilanzkommentar, § 255 HGB Rz 32 mwN (13. Aufl 2022); einschränkend Lüdenbach/Freiberg, DB 2012, 2701: Wahlrecht nur beim Tausch art- und funktionsgleicher Vermögensgegenstände des AV ohne wesentliche Baraufgabe).

Handelsrechtlich fällt ins Gewicht, dass es jedenfalls beim Tausch art-, wert- und funktionsgleicher Vermögensgegenstände des AV idR an einer Umsatzabsicht fehlt und dem Unternehmen durch einen solchen Anlagetausch keine für eine Gewinnausschüttung verfügbaren Mittel zugehen. Die handelsrechtliche Sichtweise, einen Umsatzakt trotz des nicht nur temporären, sondern dauerhaften Zurechnungswechsels der getauschten Vermögensgegenstände bei unmittelbarem Tausch von Sachwerten ohne Geldebene zu verneinen, ist dennoch fraglich. Bei wirtschaftlich gleichwertiger zweischrittiger Transaktion des Doppelkaufs

(1) Veräußerung gegen Geld und
(2) Anschaffung gegen Geld

befindet sich das Unternehmen (Gleichwertigkeit von weggegebenem und erhaltenen Vermögensgegenständen vorausgesetzt) in keiner abweichenden wirtschaftlichen Lage, weist aber – je nach Wahlrechtsausübung beim Tausch – ein abweichendes Bilanzbild aus. Dass die bloße Ausschaltung der Geldebene die Gewinnrealisation in das Belieben des Bilanzierenden stellen soll, ist jedenfalls außerhalb des Tauschs art-, wert- und funktionsgleicher Vermögensgegenstände einem zutreffenden Bild der Vermögenslage nicht zuträglich.

Im Steuerrecht dagegen führt ein Tauschvorgang grundsätzlich zur Gewinnrealisation, die AK des erworbenen WG bemessen sich gemäß § 6 Abs 6 EStG nach dem gemeinen Wert des hingegebenen WG. Ein...

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