da) Einziehung von Aktien

 

Rn. 141

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Die steuerliche Behandlung der Einziehung auf Ebene des Gesellschafters ist umstritten. Nach einer aA ist zu differenzieren: Die Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien gemäß § 237 Abs 2 S 1 AktG iVm § 222 AktG bewirkt die Vernichtung einzelner Mitgliedschaftsrechte, auf die § 17 Abs 4 EStG anzuwenden ist (Pung in D/P/M, § 17 EStG Rz 150; glA Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Rz 89 (August 2018)). Da es sich hier um eine Kapitalherabsetzung handelt, soll in diesem Fall eine Teilliquidation iSd § 17 Abs 4 EStG vorliegen. Hingegen werden bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung durch Einziehung die Aktien zu Lasten des Bilanzgewinns oder einer freien Rücklage eingezogen (§ 237 Abs 3 Nr 2 AktG), so dass in diesem Fall eine Veräußerung nach § 17 EStG vorliegen soll.

Diese Differenzierung überzeugt nicht, da die Besteuerung des Gesellschafters nicht von der jeweiligen Rechtsform und den jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Vorgaben abhängen kann. Die Vorschriften des § 272 Abs 1a und 1b HGB nF gelten unabhängig für alle Rechtsformen.

db) Einziehung von GmbH-Anteilen gegen Entgelt

 

Rn. 142

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Bei der entgeltlichen Einziehung von GmbH-Anteilen soll nach der herrschenden Lehre in der Literatur eine Veräußerung iSd § 17 Abs 1 EStG vorliegen (Pung in D/P/M, § 17 EStG Rz 150; Frotscher/Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, § 17 EStG Rz 142 (April 2021); Vogt in Brandis/Heuermann, § 17 EStG Rz 400 (Dezember 2022); Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Rz 89 (August 2018); Früchtl/Fischer, DStZ 2009, 112, 115). Nach Ansicht der FinVerw ist die Entschädigungszahlung wie eine Kaufpreiszahlung zu behandeln (BMF vom 27.11.2013, BStBl I 2013, 1615 Rz 16). Dieser Auffassung hat sich auch das FG RP angeschlossen (FG RP vom 04.11.2015, 1 K 1214/13, EFG 2016, 288 rkr).

Nach einer gegenteiligen Auffassung stellt die Einziehung der Anteile eine Teilliquidation dar und ist daher nach § 17 Abs 4 EStG zu behandeln (Levedag in Schmidt, § 17 EStG Rz 28 (42. Aufl); Dorn, Ubg 2020, 17, 21). Demzufolge sind das Entgelt (die Abfindung) für den ausscheidenden Gesellschafter Einnahmen aus KapVerm gemäß § 20 Abs 1 Nr 1 EStG bzw Rückzahlungen aus dem Einlagekonto gemäß § 27 KStG, da die (Teil-)Liquidation als finale Ausschüttung anzusehen ist (Levedag in Schmidt, § 17 EStG Rz 28 (42. Aufl)). ME liegt ein Veräußerungsgeschäft vor, da der ausscheidende Gesellschafter für seine Anteile an der GmbH einen entsprechenden Wertersatz in Form einer Abfindung erhält. Aus wirtschaftlicher Sicht veräußert der ausscheidende Gesellschafter faktisch seine Anteile an die übrigen verbleibenden Mitgesellschafter.

 

Beispiel:

Die Anteile des Gesellschafters G2 an der X-GmbH werden gegen Abfindung eingezogen, da G2 das private Insolvenzverfahren eröffnen wird. Das Stammkapital der X-GmbH beträgt EUR 25 000; G2 ist zu 10 % (EUR 2 500) am Stammkapital beteiligt. Die X GmbH zahlt eine angemessene Abfindung von EUR 5 000.

Lösung:

Beim Gesellschafter G2 liegt ein Veräußerungsgeschäft vor iSd § 17 Abs 1 EStG (BMF vom 27.11.2013, aaO, Tz 16). Der Veräußerungsgewinn beträgt EUR 2 500. Nach § 3 Nr 40 Buchst c EStG sind 40 % steuerfrei und die verbleibenden 60 % sind mit dem persönlichen Steuersatz des G2 zu versteuern.

Nach einer Ansicht der Literatur liegt eine Teilliquidation vor, so dass die entgeltliche Einziehung als finale Ausschüttung anzusehen ist. Demzufolge würde G1 Einkünfte aus KapVerm gemäß § 20 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG erzielen, wobei nach Verwendung des ausschüttbaren Gewinns auch auf das Einlagekonto gemäß § 27 EStG zurückgegriffen werden kann. In der Praxis bleiben bei dieser Ansicht viele Fragen offen, wie diese (Teil-)Ausschüttung zu erfolgen hat (Einbehaltung von KapSt, vorrangige Verwendung des ausschüttbaren Gewinns).

dc) Einziehung von GmbH-Anteilen ohne Entgelt

 

Rn. 143

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Unklar ist die steuerliche Behandlung bei der nur in Ausnahmefällen zulässigen Einziehung ohne Entgelt. Die FinVerw differenziert in ihrem Schreiben vom 27.11.2013 nicht zwischen der Einziehung mit und ohne Entgelt (BMF BStBl I 2013, 1615). Nach der Ansicht von Levedag ist in diesem Fall § 17 Abs 4 EStG anzuwenden, so dass der ausscheidende Gesellschafter einen Verlust realisiert (Levedag in Schmidt, § 17 EStG Rz 28 (42. Aufl)).

Pung will hingegen ein Veräußerungsgeschäft bejahen, da dieselben Grundsätze sowohl für die entgeltliche Einziehung als auch für die unentgeltliche Einziehung gelten müssen (Pung in D/P/M, § 17 EStG Rz 151). Zutreffend weist sie auf das steuerliche Ergebnis hin, dass der Gesellschafter keinen Verlust nach § 17 Abs 4 EStG geltend machen kann. Der BFH hat offengelassen, ob in diesem Fall ein Verlust iSd § 17 Abs 2 EStG entstehen kann (BFH vom 22.07.2008, IX R 15/08, BStBl II 2008, 927).

Unter Berücksichtigung einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist im Fall der unentgeltlichen Einziehung jedoch die Anerkennung eines Veräußerungsverlusts geboten. Aus wirtschaftlicher Sicht kommt die unentgeltliche Einziehung der Anteile einer Teilliquidation der Gesellschaft gleich, so dass dem ausscheide...

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