Rz. 31

[Autor/Stand] Das Strafverfahren und das Besteuerungsverfahren können zeitgleich und parallel nebeneinander verlaufen. Die AO geht dabei – wie es § 393 Abs. 1 Satz 1 AO zum Ausdruck bringt – vom Grundsatz der Unabhängigkeit beider Verfahrensarten aus[2]. Danach richten sich die Rechte und Pflichten des Stpfl. und der FinB nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften. Bedeutsam ist dies vor allem deshalb, weil der Stpfl. im Besteuerungsverfahren zur Mitwirkung verpflichtet ist (§§ 90, 200 Abs. 1 und 2 AO); er hat wahrheitsgemäß alle für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig offenzulegen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben. Es können Zwangsmittel (§§ 328 ff. AO) eingesetzt oder die Besteuerungsgrundlagen geschätzt (§ 162 AO) werden. Ein Vorrang des Strafverfahrens[3] ist nach der gesetzgeberischen Konzeption nicht vorgesehen[4].

 

Rz. 32

[Autor/Stand] Nach der Rspr. des BFH[6] darf eine Außenprüfung auch nach Einleitung des Strafverfahrens angeordnet und durchgeführt bzw. fortgesetzt werden (so auch der BGH v. 16.6.2006[7]). Voraussetzung ist allerdings beim Verdacht einer Straftat die Bekanntgabe und Belehrung des Stpfl. Es besteht keine Verpflichtung, eines der beiden Verfahren bis zur Beendigung des anderen auszusetzen. Die Anordnung einer Außenprüfung ist auch zulässig, soweit ausschließlich festgestellt werden soll, ob und inwieweit Steuerbeträge hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind. Eine sich insoweit gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuer besteht nicht[8].

 

Rz. 33

[Autor/Stand] Gleichwohl hat das Strafverfahren gravierende Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren (s. Rz. 34 ff.; 106 ff.). Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren sind dabei von unterschiedlichen Verfahrensprinzipien und -zielen geprägt, die im Folgenden dargestellt werden.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2018
[3] So Rengier, BB 1985, 720 (722); zust. Seer, StB 1987, 128 (132); bereits früher Wolter, StBp 1972, 224 (226 f.).
[4] Vgl. auch Joecks in JJR8, § 393 AO Rz. 18; Hellmann, Das Neben-Strafverfahrensrecht der AO, S. 91 ff.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2018
[6] BFH v. 9.12.2004 – III B 83/94, BFH/NV 2005, 503.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2018

1. Rechte und Pflichten im Besteuerungsverfahren

a) Mitwirkungspflichten

 

Rz. 34

[Autor/Stand] Im Besteuerungsverfahren haben die Finanzbehörden (i.S.d. § 6 AO) die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (§ 85 AO). Nach § 88 AO hat die FinB den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln.

Im Rahmen der Ermittlungstätigkeit sind sowohl dem Stpfl. wie auch dritten Personen umfassende Mitwirkungspflichten auferlegt, denen diese insb. dadurch nachkommen, dass sie "die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben" (§ 90 Abs. 1 AO).

Zu den Mitwirkungspflichten gehören u.a. die Auskunftspflicht nach § 93 AO, die Pflicht zur Versicherung an Eides statt (§ 95 AO), die Pflicht zur Vorlage von Urkunden (§ 97 AO), das Dulden des Betretens von Grundstücken und Räumen nach § 210 AO, die Pflicht zur Vorlage von Wertsachen nach § 100 AO, die Mitwirkungspflicht bei Personenstands- und Betriebsaufnahmen nach § 135 AO, die Anzeigepflicht bei steuerlicher Erfassung nach §§ 137139 AO, die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten und Aufbewahrungspflichten gem. §§ 140 ff. AO, die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen (§§ 149 ff. AO; § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 18 Abs. 1, Abs. 3 UStG, § 14a GewStG), die Pflicht zur Kontenwahrheit nach § 154 AO, die Mitwirkungspflicht bei Außenprüfungen nach § 200 AO sowie die Mitwirkungspflicht bei der Steueraufsicht nach § 211 AO.

 

Rz. 35

[Autor/Stand] Die Mitwirkungspflicht des Stpfl. erstreckt sich auch auf Einkünfte aus strafbarem Verhalten, da auch sie der Besteuerung unterliegen. Nach § 40 AO ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Verbot, d.h. u.a. gegen Strafgesetze wie z.B. §§ 259, 261, 299 oder 331 ff. StGB verstößt. Straftäter, wie Hehler, Schmiergeldempfänger, Geldwäscher und Betrüger, müssen deshalb auch die Einkünfte aus diesen strafbaren Handlungen offenbaren, wobei § 393 Abs. 2 AO vor einer strafrechtlichen Verfolgung schützen soll (s. Rz. 48)[3].

b) Erzwingung der Mitwi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge