a) Anwendung oder Androhung unzulässigen Zwangs

 

Rz. 155

[Autor/Stand] Wird der Stpfl. entgegen dem Verbot in § 393 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO von der FinB durch Einsatz steuerlicher Zwangsmittel trotz Kenntnis von der drohenden Selbstbelastung zur Mitwirkung im Besteuerungsverfahren gezwungen, unterliegen die betreffenden Tatsachenfeststellungen dem strafprozessuales Verwertungsverbot gem. § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO[2], wonach Zwang nur angewandt werden darf, wenn das Strafverfahrensrecht dies zulässt.

 

Rz. 156

[Autor/Stand] Das Zwangsmittelverbot darf auch nicht durch "Strafzuschätzungen" im Besteuerungsverfahren umgangen werden (s. Rz. 67 ff. m.w.N.)[4]. Wehrt sich der Stpfl. gegen die Schätzung mit entsprechendem Sachvortrag, so unterliegen die Erkenntnisse einem Verwertungsverbot[5].

 

Rz. 157

[Autor/Stand] Dagegen hat der BGH (s. auch Rz. 118)[7] in der formularmäßigen Erinnerung mit dem allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit der Festsetzung von Zwangsgeldern wegen nicht fristgerecht abgegebener Steuererklärungen, derentwegen bereits ein Steuerstrafverfahren eingeleitet und unter ordnungsgemäßer Belehrung des Beschuldigten über sein Aussageverweigerungsrecht und das Zwangsmittelverbot mitgeteilt worden war, weder eine bewusste Täuschung noch die Ausübung unzulässigen Zwangs gem. § 136a StPO gesehen, so dass hieraus kein Verwertungsverbot erwachse. Ein solches Verwertungsverbot komme nur dann in Betracht, wenn der Zwang gezielt als Mittel zur Herbeiführung einer Aussage angewandt wurde. Das Schreiben stelle allenfalls eine unbeabsichtigte Irreführung dar, die nicht unter § 136a StPO falle[8].

b) Unterlassene oder verspätete Belehrung über das Schweigerecht

 

Rz. 158

[Autor/Stand] Im Strafverfahren ist der Beschuldigte von der StA/BuStra/Steufa und auch durch den Außenprüfer über sein Recht, nicht aussagen zu müssen, zu belehren (§ 163a Abs. 4 Satz 2, Abs. 3 Satz 2, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, § 404 Satz 1 AO). Diesen Grundsätzen widerspricht es, wenn Prüfer, um die gute Atmosphäre zu erhalten und die "sprudelnde Quelle"nicht vorzeitig zum Versiegen zu bringen, die Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens hinauszögern. Unterbleibt die Belehrung des Stpfl. durch den Betriebsprüfer oder Steuerfahndungsprüfer über sein Aussageverweigerungsrecht, so löst dies grds. ein Verwertungsverbot bzgl. der daraufhin gemachten Angaben des Stpfl. aus[10].

 

Rz. 159

[Autor/Stand] Das gilt allerdings nicht, wenn der Beschuldigte sein Schweigerecht gekannt hat oder der Verwertung in der Hauptverhandlung in Anwesenheit seines Verteidigers nicht widersprochen hat (s. § 385 Rz. 1090 und § 397 Rz. 43).

 

Rz. 160

[Autor/Stand] Wenn der Prüfer wissentlich dem Stpfl. gegenüber die bereits erfolgte Einleitung verschwiegen hat oder er trotz konkreter Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Steuerstraftat die Prüfung unbeirrt fortsetzt, um die nötigen Beweise vorsorglich zu sichern, zieht dies wegen bewusster Täuschung ein absolutes Verwertungsverbot gem. § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO i.V.m. § 385 Abs. 1 AO nach sich[13].

 

Rz. 161

[Autor/Stand] Der BGH greift hingegen in Fällen der rechtsmissbräuchlichen späten Verfahrenseinleitung auf die sog. "Rechtsfolgenlösung" zurück (s. Rz. 124)[15]. Danach soll die auffallend späte Einleitung des Ermittlungsverfahrens die Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht infrage stellen. Ein solch pflichtwidriges Verhalten sei jedoch bei der Festsetzung der Rechtsfolgen zu berücksichtigen (s. auch § 370 Rz. 1063). Der FinB stehe bei der Frage, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die einen Anfangsverdacht (i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO) begründen, ein Beurteilungsspielraum zu.

 

Rz. 162

[Autor/Stand] Letzteres trifft zwar zu, es hätte jedoch die Frage geklärt werden müssen, wann die Verfahrenseinleitung durch verdachtsprüfende Maßnahmen tatsächlich stattgefunden hat (s. auch § 397 Rz. 17 ff.). Ein späterer Aktenvermerk (§ 397 Abs. 2 AO) ist insoweit nicht aussagekräftig (s. § 397 Rz. 37)[17].

 

Rz. 162.1

[Autor/Stand] Auch jüngst wieder hat der BGH die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus Vorfeldermittlungen bei unterbliebener Beschuldigtenbelehrung anerkannt[19]. Der Angeklagte war zunächst in einem gegen einen anderen geführten Ermittlungsverfahren nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO aufgrund eines Auskunfts- und Vorlageverlangens nach Zeugenbelehrung (§ 55 StPO) zur Vorlage von Barquittungen veranlasst worden, die ihn später selbst wegen Vorsteuerhinterziehung belasteten. Ein Verstoß gegen § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO lag nach Ansicht des BGH nicht vor. Der Steufa komme ein Beurteilungsspielraum zu, ob sie eine Person als Zeuge oder als Beschuldigten betrachte. Dieser sei erst überschritten, wenn trotz starken Tatverdachts nicht von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen werde[20] und auf diese Weise die Beschuldigtenrechte umgangen würden[21]. Erst wenn sich der Verdacht gegen die Person so verdichtet habe, dass sie ernstlich als Täter der untersuchten Strafta...

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