Ergänzender Hinweis: Nr. 16, 46 Abs. 2 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 16, 46).
Rz. 198
[Autor/Stand] Im deutschen Strafprozessrecht gehört es zum gesicherten Bestand rechtsstaatlicher Tradition, dass niemand verpflichtet ist, gegen sich selbst auszusagen bzw. an seiner eigenen Überführung aktiv mitzuwirken[2]. Dieses von der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 GG) bestimmte Prinzip der Aussagefreiheit ist eine Ausprägung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Verbots des Selbstbelastungszwangs (sog. Nemo-tenetur-Prinzip; s. Rz. 145 ff.; zu dessen Auswirkungen im Steuerstrafverfahren s. § 393 Rz. 16, 106 ff. sowie § 370 Rz. 304 ff.)[3]. Es ist zwar in der StPO nicht ausdrücklich geregelt, kommt aber durch die in § 115 Abs. 3 Satz 1, § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 3 Satz 2, § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorgesehenen Belehrungspflichten zum Ausdruck.
Dem Beschuldigten ist es freigestellt, ob er sich zur Sache einlässt oder ob er schweigt. Die Aussagefreiheit bezieht sich auf seine Vernehmung zur "Sache" und über seine "persönlichen Verhältnisse", soweit diese die Schuld- und Straffrage betreffen (s. Rz. 202, 146).
Grds. zu Beweisverboten und zum Problem der Fernwirkung s. Rz. 1045 ff.; speziell zu Verstößen bei der Vernehmung s. Rz. 1090 ff.
Rz. 199
[Autor/Stand] Verweigert der Beschuldigte (bzw. Angeklagte) in vollem Umfang die Einlassung, so darf sein Schweigen nicht als Schuldindiz gewertet und dürfen daraus auch keine sonstigen nachteiligen Schlüsse (z.B. bei der Strafzumessung) gezogen werden[5]. Dem Schweigen steht es gleich, wenn der Beschuldigte seine Täterschaft abstreitet oder sich als unschuldig bezeichnet[6].
Rz. 200
[Autor/Stand] Demgegenüber kann ein teilweises Schweigen des Beschuldigten (bzw. Angeklagten) – wenn er sich also grds. zur Sache einlässt und er nur zu einzelnen Punkten die Einlassung ablehnt bzw. auf Einzelfragen keine oder unvollständige Antworten gibt – nach der Rspr.[8] durchaus als Beweisanzeichen gewertet werden[9]. Andererseits dürfen aus unterschiedlichen Aussageverhalten des Beschuldigten bei mehreren Vernehmungen oder in verschiedenen Verfahrensstadien keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden[10]; das Gleiche gilt für ein der späteren Einlassung vorangegangenes Schweigen (wenn sich der Beschuldigte z.B. bei der ersten Vernehmung durch die Steufa noch nicht äußert, wohl aber bei der abschließenden Vernehmung durch die BuStra)[11].
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