a) Anhörungsrüge

Schrifttum:

Burhoff, Die wesentlichen Neuerungen des Anhörungsrügegesetzes für das Strafverfahren, PA 2005, 13; Burhoff, Die Anhörung im Strafverfahren, ZAP 2005 Fach 22, 409; Desens, Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde und ihr Verhältnis zur fachgerichtlichen Anhörungsrüge, NJW 2006, 1243; Gehb, Zumutungen aus Karlsruhe: Die Instrumentalisierung des Justizgewährungsanspruchs zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts, DRiZ 2005, 121; Meyer-Mews, Rechtsschutzgarantie und rechtliches Gehör im Strafverfahren, NJW 2004, 716; Zuck, Das Verhältnis von Anhörungsrüge und Verfassungsbeschwerde – Dargestellt am Beispiel des § 152a VwGO, NVwZ 2005, 739; Zuck, Gehört die Anhörungsrüge zum Rechtsweg nach § 90 II 1 BVerfGG?, NVwZ 2006, 1119.

 

Rz. 865

[Autor/Stand] Die Rüge auf Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG ist beim letztentscheidenden Gericht über die seit 2005[2] eingeführte Anhörungsrüge geltend zu machen. Sie dient der Entlastung des BVerfG.

 

Rz. 866

[Autor/Stand] Gegenstand der Gehörsrüge ist regelmäßig, dass das Gericht den Vortrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen hat (Negligenzentscheidung), sowie dass das Gericht seine Entscheidung auf Gründe gestützt hat, mit denen niemand rechnen konnte (Überraschungsentscheidung).

 

Rz. 867

[Autor/Stand] Für das Strafverfahren ist dieser außerordentliche Rechtsbehelf in § 33a StPO (gegen richterliche Beschlüsse), für das Bußgeldverfahren i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG geregelt; sie ist subsidiär gegenüber spezielleren Regelungen für das Beschwerdeverfahren in § 311a StPO sowie für das Revisionsverfahren in § 356a StPO (gegen Revisionsentscheidungen)[5]. Der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör umfasst nicht nur Tatsachen und Beweisergebnisse, sondern auch Anträge und Rechtsausführungen anderer Beteiligter, die das Gericht bei seiner Entscheidung mit einbezogen hat.

 

Rz. 868

[Autor/Stand] Der Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs gem. § 33a StPO ist unbefristet, wobei die Zulässigkeit nur dann gegeben ist, wenn der entsprechende Beschluss oder Entscheidung nicht anders anfechtbar ist.

 

Rz. 868.1

[Autor/Stand] Bei Nichtanhörung des Beschwerdegegners geht § 311a StPO vor, der nach Maßgabe der Vorschrift zu einem nicht fristgebundenen Nachverfahren zwingt.

 

Rz. 869

[Autor/Stand] Bei § 356a StPO ist Voraussetzung allerdings, dass der Betroffene den Antrag innerhalb einer Woche nach Kenntniserlangung stellt und der Antrag entsprechend begründet wird. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung muss dabei glaubhaft gemacht werden. § 356a StPO geht damit dem § 33a StPO als speziellere Regelung vor.

 

Rz. 870

[Autor/Stand] Die Anhörungsrüge ist nur dann begründet, wenn der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt wurde[10].

Eine Verfahrensrüge wegen Versagung des rechtlichen Gehörs, die sich auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Verteidigers ("Gehörsrügefalle") stützt, hält die Rspr. für unzulässig[11].

Das Verfahren wird dabei auf Antrag durch Beschluss in die Lage versetzt, die vor Erlass der Entscheidung bestand.

 

Rz. 871

[Autor/Stand] Bei einer erfolgreichen Anhörungsrüge muss das Revisionsgericht neu entscheiden und alle Verfahrensbeteiligten erneut anhören. Ferner entfällt dadurch die Rechtskraft der Revisionsentscheidung, eine bereits begonnene Strafvollstreckung ist abzubrechen. In diesem Fall ist auch über die U-Haft neu zu entscheiden[13].

 

Rz. 872

[Autor/Stand] Kritisch ist zu dem Rechtbehelf anzumerken, dass die Gehörsrüge vom iudex a quo zu entscheiden ist, so dass sie wohl regelmäßig ins Leere läuft.

Gleichwohl gehört sie zum Rechtsweg und ist im Hinblick auf die Rechtswegerschöpfung (s. Rz. 903) Zulässigkeitsvoraussetzung der Verfassungsbeschwerde[15]. Damit müssen ggf. zwei Verfahren nebeneinander geführt werden, wenn außer der Verletzung rechtlichen Gehörs noch andere Verfahrensgrundsätze (z.B. der fair trial Grundsatz) tangiert sind[16].

 

Rz. 873

[Autor/Stand] Nach Ansicht des BVerfG[18] stellt sich hingegen die Frage der Rechtswegkonkurrenz nicht, da alle Grundrechtsrügen auch nach Ablauf der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG noch erhoben werden könnten, wenn eine den gesamten Verfahrensgegenstand betreffende Gehörsrüge (flächendeckende Rüge) zu einer negativen Anhörungsrügeentscheidung geführt habe[19]. Im Ergebnis führt diese Entscheidung zur Überwälzung des Verfahrensrisikos auf den Beschwerdeführer. Zu den Anforderungen an den Subsidiaritätsgrundsatz s. jedoch Rz. 872 und Rz. 906 f.

Inhalt und Grenzen einer auf Art. 103 Abs. 1 GG gestützten Verfassungsbeschwerde werden durch die im fachgerichtlichen Verfahren erhobene Anhörungsrüge bestimmt[20]. Mit der Entscheidung über eine Anhörungsrüge kann nur ausnahmsweise eine eigenständige verfassungsrechtliche Beschwer verbunden sein, nämlich insbesondere dann, wenn sich die verfassungsrechtliche Rüge nicht auf die inhaltliche Überprüfung des Gehörsverstoßes richtet, sondern den Zugang zum Anhörungsrügeverfahren selbst betrifft[21].

Ausnahmsweise...

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