Rz. 74

[Autor/Stand] Das Ob und der Umfang der Einziehung stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts[2]. Entsprechend dem Zweck der anzuwendenden Einziehungsnorm und unter Berücksichtigung der Umstände im konkreten Fall muss der Richter untersuchen, ob die Einziehung geboten erscheint. Hat der Angeklagte bereits wirksam auf die Rückgabe sichergestellter Gegenstände verzichtet, kann die Anordnung der Einziehung unterbleiben. Ergeht sie dennoch, hat sie nur deklaratorischen Charakter und ist mangels Beschwer nicht anfechtbar[3]. Hat die Einziehung im konkreten Fall Strafcharakter, so muss sie tat- und schuldangemessen, dh. neben der ausgesprochenen Hauptstrafe erforderlich sein[4]. Allgemein gültige Regeln lassen sich dabei nicht aufstellen. Ein gewisser Spielraum für richterliche Wertentscheidungen bleibt erhalten.

 

Rz. 75

[Autor/Stand] Dient die Einziehung dagegen überwiegend oder ausschließlich einem Sicherungsbedürfnis, ist zu prüfen, ob sie überhaupt taugliches Mittel zur Zweckerreichung sein kann. Zudem wird in diesen Fällen das richterliche Ermessen durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders begrenzt sein. Zwingend vorgeschrieben ist hingegen – wegen der besonderen Gefährlichkeit – zB die Einziehung gefälschter Steuerzeichen nach § 150 StGB und geschmuggelter Waffen gem. § 54 Abs. 1 WaffG.

 

Rz. 76

[Autor/Stand] Wie jede in die Rechte des Bürgers eingreifende staatliche Maßnahme unterliegt auch die Einziehung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (s. dazu § 385 AO Rdnr. 43). Danach darf die Einziehung nicht angeordnet werden, wenn sie außer Verhältnis zur begangenen Tat, zum Schuldvorwurf gegen den betroffenen Tatbeteiligten oder Dritten oder zur Gefährlichkeit des einzuziehenden Gegenstandes steht[7]. Für die Fälle der strafähnlichen Einziehung (§ 74 Abs. 2 Nr. 1, § 74a StGB) ordnet dies § 74f Abs. 1 StGB – wegen der weit gefassten Tatbestände – ausdrücklich an. Der Grundsatz gilt aber als Verfassungsprinzip für jede Einziehung[8].

 

Rz. 77

[Autor/Stand] In den Fällen der §§ 7474b und 74d StGB ordnet der Richter die einschneidende Eigentumssanktion zunächst nur unter Vorbehalt an, wenn der Zweck auch durch eine weniger einschneidende Maßnahme (zB Unbrauchbarmachung, Beseitigung bestimmter Einrichtungen oder Veränderung der Gegenstände, Verfügung über die Gegenstände, vgl. § 74f Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–3 StGB) erreicht werden kann[10]. Dabei ist freilich darauf hinzuweisen, dass die Unbrauchbarmachung einer Sache sich oftmals einschneidender auswirken wird als die Einziehung derselben.

 

Rz. 78

[Autor/Stand] Auf der gleichen Ebene der "abgestuften Sanktion" liegt § 74f Abs. 1 Satz 4 StGB, der bei fakultativer Einziehung eine Teileinziehung zulässt[12]. Eine solche wird allerdings bei Steuervergehen kaum praktisch werden (allenfalls denkbar bei Branntweinmischung[13]).

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2017
[2] Zum Begriff des pflichtgemäßen Ermessens vgl. Eser, Strafrechtliche Sanktionen, S. 349 ff.
[4] BGH v. 19.6.1957 – 1 StR 130/61, BGHSt 10, 337 (338); Eser, Strafrechtliche Sanktionen, S. 352.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2017
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2017
[7] Eser in Schönke/Schröder29, § 74b StGB Rdnr. 1 ff.; ausf. Eser, Strafrechtliche Sanktionen, S. 351 ff.
[8] BVerfG v. 22.5.1995 – 2 BvR 195/92, NJW 1996, 246 (247); BGH v. 17.10.1961 – 1 StR 130/61, BGHSt 16, 282 (285); OLG Nürnberg v. 30.8.2006 – 2 St OLG Ss 60/06, NJW 2006, 3448 (3448 f.); OLG Düsseldorf v. 27.11.2001 – 2b Ss 309/01 - 91/01 IV, StV 2002, 261 (262) m. Anm. Stange; OLG Hamm v. 13.10.1961 – 1 Ss 1230/60, NJW 1962, 828; OLG Schleswig v. 15.3.1988 – I Ss 85/88, StV 1989, 156.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2017
[10] Vgl. Joecks in JJR8, Rdnr. 67: zB Entfernung von Schmuggelvorrichtungen an einem Kfz.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2017
[12] BayObLG v. 9.1.1961 – 3 St 76/61, NJW 1962, 215.
[13] Joecks in JJR8, Rdnr. 69.

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